Träume der Dunkelheit: Erzählungen (German Edition)
so erbarmungslos gejagt habe«, gestand er ihr die ungeschönte Wahrheit ein.
Saras Blick wich nicht von seinem Gesicht, als sie mit einem Finger seinen Mund berührte. »Du empfindest sehr wohl etwas. Du hättest dich niemals so verstellen können bei diesem Kuss«, sagte sie mit schon fast ehrfürchtiger Stimme.
Falcon spürte, wie die nervöse Anspannung aus seinem Körper wich. »Wenn wir eine Seelengefährtin finden, stellt sie unser Empfindungsvermögen wieder her. Und meine Seelengefährtin bist du, Sara; dank dir habe ich wieder Gefühle und sehe wieder Farben. Mein Körper braucht den deinen, und genauso verzweifelt braucht dich meine Seele. Du bist mein Halt, mein Anker – das einzige Geschöpf, das die Finsternis in mir zurückhalten und zügeln kann.«
Sie hatte sein Tagebuch gelesen, und daher waren die Dinge, die er ihr erzählte, keine neuen Vorstellungen für sie. Sie war das Licht in seiner Dunkelheit, seine andere Hälfte. Es war eine reizvolle Fantasie, ein schöner Traum gewesen, aber jetzt sah sie sich der Realität gegenüber, und die war einfach überwältigend. Dieser Mann, der so unsicher und verwundbar vor ihr stand, war ein mächtiges Raubtier und nahe daran, genau das zu werden, was er so erbittert jagte.
Und Sara glaubte ihm, weil sie nicht nur die Schatten in seiner Seele spüren konnte, sondern auch das Raubtier mit den messerscharfen Krallen und Fängen in ihm spürte und die Feuer der Hölle in seinen Augen gesehen hatte. Trotzdem erwiderte sie furchtlos seinen Blick.
»Also, Sara«, sagte er sehr leise. »Wirst du mich retten?«
Der Regen trommelte wieder auf das Dach ihres Hauses, und fast im gleichen Rhythmus schlug ihr Herz. Wie hypnotisiert schaute sie ihn an. »Dann sag mir, wie ich dich retten kann«, stimmte sie leise zu, weil jedes Wort, das er gesagt hatte, die reine Wahrheit war. Das spürte und wusste sie ganz instinktiv.
»Solange ich uns nicht mit den rituellen Worten unseres Volkes aneinander binde, gibt es für mich keine Hoffnung. Doch sowie ich die Worte ausgesprochen habe, sind wir in alle Ewigkeit aneinander gebunden. Es ist ähnlich wie die Heirat für Menschen, nur noch sehr viel mehr.«
Sara kannte die uralten Worte, von denen er sprach. Er hatte sie schon ausgesprochen, sie tausendmal im Traum zu ihr gesagt. Es waren schöne Worte. Ich beanspruche dich als meine Seelengefährtin. Ich gehöre zu dir. Ich gebe mein Leben für dich hin. Ich biete dir meinen Schutz, meine Treue und mein Herz. Ich schenke dir meine Seele und meinen Körper. Ich nehme dich in meine Obhut. Dein Leben wird für mich stets das Kostbarste sein und immer an erster Stelle stehen. Du bist meine Seelengefährtin, für alle Zeit an mich gebunden und für immer unter meinem Schutz.
Sie war oft ins Stocken geraten bei der Übersetzung und hatte sehr lange Zeit dafür gebraucht, weil sie jedes Wort in seiner vollkommenen Schönheit und mit der genauen Bedeutung, die er ihm verliehen hatte, hatte wiedergeben wollen. Diese wundervollen Worte, die sich von seinem Herzen auf das ihre übertragen hatten. »Und dann würden wir als verheiratet gelten?«
»Du bist meine Seelengefährtin; es wird niemals eine andere für mich geben. Wir wären untrennbar aneinander gebunden, Sara, im wahrsten Sinne dieses Wortes. Wir würden die geistige Verbindung zueinander brauchen und auch sehr oft das körperliche Zusammensein. Ich könnte nicht ohne dich sein und du nicht ohne mich.«
Sara erkannte, dass kein psychischer Zwang in seiner Stimme lag. Er versuchte nicht, sie zu beeinflussen, aber tief in ihrem Innern spürte sie die Auswirkungen seiner Worte. Sara hob den Kopf und versuchte, in seine Seele zu blicken. »Ohne uns zu binden, würdest du wirklich wie dieses Scheusal werden, das meine Familie getötet hat?«
»Ich kämpfe in jeder Sekunde meiner Existenz gegen die Finsternis«, gab er leise zu. In dem Moment erhellte ein greller Blitz den dunklen Nachthimmel und ließ Falcons Gesichtszüge reliefartig aus dem Dämmerlicht hervortreten. Sara konnte die Spuren sehen, die sein ständiger Kampf in ihnen hinterlassen hatte, den etwas grausamen Zug um Falcons sinnlichen Mund, die scharfen Linien und Kanten und die schwarze Leere seiner Augen. Dann legte sich die vom Kerzenlicht gedämpfte Dunkelheit erneut über sein Gesicht, und es war wieder so schön wie das in ihren Träumen. Ihr dunkler Engel . »Ich habe keine andere Wahl, als mein Leben zu beenden. Das war meine Absicht, als ich mich auf
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