Träume der Dunkelheit: Erzählungen (German Edition)
und wird sie auch noch jagen, nachdem dieser längst vom Angesicht der Erde verschwunden ist.« Sie richtete den Blick auf Jacques. »Raven wird mir Nahrung geben, während du dieses Monster aufhältst. Und du wirst unverletzt zu mir zurückkehren, hörst du?«
»Ich höre dich, mein kleiner Rotschopf, und wie immer werde ich dir gehorchen«, sagte er mit sanfter Stimme, die wie ein Streicheln war – bevor er sich von einer Sekunde auf die andere in Dunst auflöste und aus dem Zimmer strömte.
Sara versuchte, ihm nicht mit offenem Mund nachzustarren und sich den Schock nicht anmerken zu lassen. Raven, deren Arm um Sheas Taille lag, lachte leise. »Karpatianer sind gewöhnungsbedürftig. Das müsste ich selbst am besten wissen.«
»Ich brauche Nahrung«, sagte Shea, während sie Sara prüfend in die Augen schaute. »Wird es dir unangenehm sein, es mitanzusehen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Sara ehrlich. Aus keinem erkennbaren Grund begann die Stelle am Ansatz ihrer Brust zu pochen, und sie konnte spüren, wie sie errötete. »Wahrscheinlich sollte ich mich schon mal daran gewöhnen. Falcon und ich wollten warten, bis ich den Papierkram für die Kinder erledigt habe, bevor wir …«, sie suchte nach dem richtigen Wort, »das Ritual zum Abschluss bringen.« Sie hob das Kinn. »Aber ich bin ihm sehr verbunden«, fügte sie hinzu, obwohl es ihr wie eine etwas triviale Erklärung ihrer Gefühle für Falcon erschien.
»Ich bin erstaunt, dass er dir die Zeit gelassen hat. Er muss sich seiner Fähigkeit, dich zu beschützen, außerordentlich sicher sein«, bemerkte Raven. »Trink, Shea, damit du wieder voll und ganz zu Kräften kommst«, sagte sie wie nebenbei zu ihrer Schwägerin und streckte ihr die Hand hin. »Normalerweise machen karpatianische Männer anfangs eine schwere Zeit durch, wenn ihre Emotionen zurückkehren. Sie haben mit Eifersucht und Furcht zu kämpfen, mit dem überwältigenden Bedürfnis, ihre Seelengefährtin zu beschützen, und der schon fast panischen Angst, sie zu verlieren. Sie werden herrisch und besitzergreifend, und für gewöhnlich sind sie echte Nervensägen in dieser ersten Zeit.« Raven, die ihren Seelengefährten offenbar an dem Gespräch teilhaben ließ, lachte leise.
Saras Herz begann zu rasen, als sie mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen zusah, wie Shea das ihr von Raven angebotene Blut annahm. Obwohl es ein bizarrer Vorgang war, fand sie sogar einen gewissen Trost in dieser selbstlosen Interaktion der beiden Frauen. Nicht nur Sheas Heilkünste rangen ihr Respekt und Bewunderung ab, sondern auch die Art und Weise, wie sie selbst im Kreise dieser Familie aufgenommen worden war, einer Familie, in der sich alle sehr nahe standen, aber ohne Zögern bereit gewesen waren, ihr beizustehen und sogar ihr Leben für sie in Gefahr zu bringen.
»Wollt ihr wirklich versuchen, ein Kind zu bekommen?«, fragte Raven, als Shea mit der Zunge die winzigen Einstiche am Handgelenk ihrer Schwägerin verschloss. »Jacques sagte, er hätte dich endlich dazu überreden können.« Ein leiser Zweifel schwang in Ravens Stimme mit.
Sara sah, wie ein Schatten über Sheas hübsches Gesicht fiel. Sara hatte sich immer Kinder gewünscht und spürte, dass Sheas Antwort auch für ihre eigenen Träume wichtig sein würde.
Shea holte tief Luft und ließ sie langsam wieder entweichen. »Jacques will unbedingt ein Kind, Raven. Da die Risiken so hoch sind, habe ich versucht, wie ein Arzt zu denken, doch das ist nicht leicht, wenn sich alles in mir nach einem Baby sehnt und mein Seelengefährte es sich genauso sehnlich wünscht. Es war ein Wunder, dass Savannah überlebt hat; das weißt du, Raven, und du wirst dich erinnern, wie schwierig alles war. Wie wir in jenem ersten Jahr um ihr Leben kämpfen mussten, nicht nur Gregori und ich, sondern auch Mikhail und du. Ich habe den Muttermilchersatz für Säuglinge verbessert, da wir ihnen nicht unsere eigene geben können, die früher einmal die perfekte Nahrung war. Ich weiß nicht, warum die Natur sich gegen unsere Spezies gewandt hat, aber wir müssen um das Leben eines jeden Kindes kämpfen, das von uns geboren wird. Trotzdem hält mich all dieses Wissen nicht davon ab, mir ein Baby zu wünschen. Und sollte mir etwas zustoßen, so weiß ich jetzt, dass Jacques meinen Wunsch erfüllen und unser Kind aufziehen wird, bis er oder sie eine eigene Familie hat. Ich werde mich schon bald für einen Moment entscheiden und hoffen, dass wir Glück mit der
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