Traeume doch einfach weiter
mit, wie
viele Schritte sie benötigte. Eins, zwei, drei, vier...
»Mensch, machen
Sie doch die Augen auf!«, schimpfte ein Managertyp, der sein Handy ans Ohr
presste und beinahe mit ihr zusammengestoßen wäre.
»Verzeihung«,
murmelte Serena verlegen. Sie kehrte an den Bordstein zurück, drehte sich um
und ging noch einmal auf Tiffany zu. Dabei achtete sie bewusst auf ihre Haltung,
wie Ken es ihr eingeschärft hatte, musste sich aber gleichzeitig auch darauf
konzentrieren, in einer geraden Linie auf das Schaufenster zuzugehen, was
nahezu unmöglich war, weil so viele Passanten unterwegs waren. Endlich hatte
sie es geschafft, aber das Schaufenster wurde von Touristen umlagert, die
eifrig die Auslage fotografierten. Hm, so stand das aber eindeutig nicht im
Drehbuch.
Eine dicke
ältere Frau in einem zu kurzen Tennisröckchen hielt Serena ihre Kamera hin.
Offensichtlich wollte sie fotografiert werden. Serena zuckte mit den Schultern
und fügte sich in ihr Schicksal. Sie knipste die Frau, die strahlend auf den
Tiffany-Schriftzug deutete.
»Danke! Darf ich
jetzt noch eines von Ihnen machen? Sie arbeiten doch für Tiffany, oder?«
Serena war im
ersten Moment sprachlos. Dann wurde ihr klar, dass sie bestimmt aussah wie eine
lebende Werbefigur, die Tiffany angeheuert hatte, um vom Ruhm des legendären
Films zu profitieren und noch mehr Schmuck zu verkaufen. Sie stellte den Becher
und die Papiertüte auf dem Boden ab und lächelte höflich, während die Frau sie
fotografierte. Anschließend griff sie nach der Tüte und ging wieder zum
Bordstein zurück. Ein Bus brauste an ihr vorbei und blies ihr Auspuffabgase
unter das Kleid.
Ah, Sommer in
der Stadt!
Serena seufzte.
Das Thermometer zeigte fast vierzig Grad, alle Leute starrten sie an, und sie
wollte nur noch nach Hause - ins Penthouse ihrer Eltern, nicht zurück in das
katzenpisseverseuchte Drecksloch -, sich Boxershorts, ein Top und bequeme
Flipflops anziehen, sich vor den Fernseher legen, Coronas trinken und den
Laguna-Beach- Marathon anschauen. Bisher war es ihr immer gelungen, in allem,
was sie tat, sagenhaft gut zu sein. Egal was es war - Schule, Reiten oder Jungs
-, alles war ihr in den Schoß gefallen. Sie war selbstverständlich davon
ausgegangen, dass es ihr mit der Schauspielerei genauso gehen würde, aber sie
spürte deutlich, dass Ken Mogul mit ihrer bisherigen Leistung nicht besonders
zufrieden war.
Ob Blair, die
der weltgrößte Fan von »Frühstück bei Tiffany« war, wohl besser mit Kens
manischen Wutanfällen klargekommen wäre?
Serena holte
tief Luft, drehte sich um und ging noch einmal tapfer auf das Geschäft zu.
Eine Frau zeigte
mit dem Zeigefinger auf sie. »Guck mal da, Schatz!«, rief sie ihrem
glatzköpfigen fettleibigen Mann zu, der ein sehr kleidsames Ensemble aus
karierten Bermudashorts, einem Billigpolo von Lacoste und Herrensandalen mit
schwarzen Socken anhatte.
»Junge, Junge.
Sachen gibt's, die gibt's gar nicht!«, staunte der Mann.
»Genau wie in
>Frühstück bei Tiffany<, was?«, sagte die Frau und ging auf Serena zu.
»Hallo, Sie da! Ist das so eine Art PR-Aktion?«
Serena tat so,
als hätte sie nichts gehört. Wer hätte gedacht, dass Manhattans Straßen so
tückisch sein konnten? Sie stellte sich wieder an den Straßenrand und stählte
sich innerlich, bevor sie sich erneut in Bewegung setzte.
Das ist die
richtige Arbeitseinstellung. Augen zu und durch!
Äußerlich sah
sie vielleicht aus wie eine lustige Touristenattraktion, aber im Inneren war
sie eine vor Wut schäumende, frustrierte Jungschauspielerin, die kurz davor
stand, einen Anfall zu bekommen. Sie hatte keine Lust mehr auf den blöden Film.
Am liebsten hätte sie alles hingeworfen und wäre zu Barneys gegangen, um zu
schauen, ob dort nicht irgendein schönes neues trostspendendes Designerteil am
Kleiderständer hing. Aber das ging nicht. Erstens war Barneys wegen der
Dreharbeiten geschlossen, weshalb sie sogar selbst mit daran schuld war, dass
sie auf ihren Frustkauf verzichten musste. Zweitens hatte sie noch nie bei
irgendetwas versagt und war insgeheim mindestens so von Ehrgeiz zerfressen wie
ihre gelegentlich beste Freundin Blair.
»Hey, hey!
Geiler Arsch, Blondie«, rief jemand hinter ihr.
Sie fuhr herum
und sah einen Typen, der sie vom Rücksitz eines vorbeifahrenden Taxis aus
lüstern anstarrte. Ekelhaft. Audrey Hepburn wäre so etwas nie passiert.
Nein, Audrey
Hepburn hatte einen ziemlichen Flacharsch. Aber dafür konnte sie schauspielern.
b lernt
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