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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lidewij van Wilgen
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zwischen Weingärten und Pinien hindurch. Wir fahren weiter, bis zu der Stelle, an der der betonierte Weg endet und sich ein schmaler Sandweg den steilen Berg hinaufwindet. Aad schaut sich immer wieder um, er lacht, als er sieht, dass ich auch auf diesem steilen, steinigen Stück nicht absteige. Auf der Abfahrt hole ich ihn ein und radele neben ihm weiter. Wir strahlen uns an und scheinen die Freunde zu sein, die wir schon immer waren.
    Einige Tage später liegen die Mädchen schon im Bett, ich höre noch aufgeregtes Geflüster, die leichten und schnellen Schritte von jemandem, der ins Bad rennt. Das ist Laartje. Ich hole die Gläser vom langen Tisch, stelle die Teller in den Geschirrspüler und gehe gerade zum Tisch zurück, um ihn abzuwischen, als das Telefon klingelt. Mit dem Apparat in der Hand setze ich mich auf das Sofa beim offenen Kamin, schalte die kleine Lampe an und lasse mich in die Kissen sinken. Ich weiß, was mich erwartet. »Nur in Amsterdam kann ich Geld verdienen«, wird Aad sagen.
    Ich werde dem entgegenhalten, dass wir doch einfacher leben wollten, dass wir deshalb die Niederlande verlassen haben, dass der Umbau beinahe abgeschlossen ist, dass wir auch hier in der Nähe Möglichkeiten finden könnten, etwas dazuzuverdienen. »Aber ich habe Angst zu verarmen«, wird er sagen.
    Ich werde versuchen, ihn zu locken, Aad wird sich tiefer eingraben – zwei gelangweilte Zuschauer, die sich die hundertste Wiederholung desselben Theaterstücks anschauen.
    Irgendetwas bewirkt, dass das Gespräch heute anders verläuft.
    Â»Vielleicht können wir beide nicht zusammen ein Weingut führen«, sage ich plötzlich.
    Â»Zwei Kapitäne auf einem Schiff«, sagt Aad.
    Â»Zusammengehörigkeit verfliegt, wenn man nie zusammen ist«, sage ich.
    Â»Ich vermisse die Kinder«, seufzt er.
    Â»Ich vermisse dich«, sage ich, »ich möchte nicht mehr alleine sein.«
    Wir betrachten das Problem von allen Seiten. Aad schlägt vor, dass ich wieder in die Niederlande komme und alle zwei Wochen auf das Weingut reise und es auf diese Weise weiter leite. Allein der Gedanke macht mich fertig.
    Plötzlich sehe ich keine andere Lösung mehr: »Dann sollten wir versuchen, das Weingut zu verkaufen.« Ich telefoniere in den kommenden Tagen endlos mit Miriam, mit Annemiek, schicke lange Mails, die sie ausführlich beantworten. Und trotz all ihrer Bedenken treibe ich mich selber an, in die gewählte Richtung weiterzugehen. Es muss sein. Das Weingut oder Aad. Wir müssen zurückkehren.
    Marijn hat Geburtstag. Wie so oft sehe ich in ihr die zufriedene Katze, so wie sie dort sitzt in ihrer dicken Strickweste, wilde Strähnen ihres blonden Haares haben sich aus ihrem losen Zopf befreit. Alles an ihr möchte ich streicheln, sie ist eine einzige Ansammlung positiver Energie. Der Junge neben ihr hält es nicht länger aus und lehnt sich langsam, beinahe schnurrend an sie. Marijn knurrt ein wenig, aber lässt es zu.
    Â»Sollen wir mit der Schatzsuche anfangen?«, frage ich. Ich habe eine Karte vom Weingut gemacht, auf der die Wege zu sehen sind, habe Bäume eingezeichnet, Wassergräben und die Brücke. »Dürfen wir wirklich alleine gehen?«, fragen die Kinder aus dem Dorf, die ihre Tage vor dem Fernseher verbringen und ihre Geburtstage im salle communale am Dorfplatz feiern. Das hier ist plötzlich ganz schön viel Aktivität im Freien. Marijn rennt bereits stolz den Sandweg hinauf. Kurz zögern die anderen, dann rennen alle hinter ihr her und stürmen den Hügel hinauf. Jedes Kind hat eine Karte in der Hand, mit der es den Weg suchen sollte, aber alle lassen sie wie eine Flagge hinter sich her wehen. Marijn gesellt sich zu mir und betrachtet ihre Karte. Sie zieht mich an meiner Hand zu sich herunter. »Es ist die kleine Runde, oder?«, fragt sie verschwörerisch – die kleine Runde, unsere Runde, der Spaziergang, den wir so oft zusammen unternehmen.
    Als Einzige schaut sie wirklich auf die Karte und bemerkt, dass an manchen Stellen Kreuze eingezeichnet sind. Da befinden sich umgedrehte Ernteeimer, unter denen ich jeweils einen Auftrag versteckt habe. Solche Spiele sind in Haarlem Normalität, aber hier eine Attraktion. Schließlich kommen wir an den Rand des großen Carignan-Feldes, wo ein Staffellauf stattfinden soll. Die Kinder sollen bei einem bestimmten Weinstock loslaufen, über einen Wassergraben

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