Traeume ernten
GroÃvater des Eigentümers angefertigt hat. Das Zimmer ist recht groà und mit einem einfachen blauen Teppich ausgelegt. Am Kopfende des Bettes befindet sich ebenfalls eine â allerdings maschinell â ausgesägte Figur, es handelt sich um die Impression einer Welle in Schichtholz. Es gibt eine groÃzügige Terrasse, einen stabilen Plastiktisch, zwei Stühle. Hier sollte ich arbeiten können.
Zufrieden gehe ich wieder nach drauÃen an den Strand. Inzwischen ist es völlig dunkel, und der erste Mondschein zaubert ein sanftes Glitzern auf das Wasser. Ich ziehe meine Schuhe aus, nehme sie in die Hand und renne über den Strand zum Meer. Ich fühle, wie ein breites Lachen über mein Gesicht zieht, das erst nachlässt, als ich das Wasser erreiche. Der Strand ist menschenleer. Ich laufe am Meer entlang zu einer Düne irgendwo in der Ferne. Eine schwüle Brise weht vom Land herüber, der Sand unter meinen FüÃen fühlt sich noch immer warm an. Plötzlich denke ich daran, dass dies eigentlich das klassische Setting für ganz andere Aktivitäten ist. Fast wütend gehe ich zurück zum Hotel.
»Ah!«, sage ich ungehalten zu dem leeren Doppelbett, das mich angähnt, als ich die Tür mit Schwung öffne, »als ob das besser wäre!«
Am nächsten Morgen gehe ich hinunter in den Frühstücksraum, wo bereits einige ältere Pärchen hinter Körbchen mit Stockbrot und Croissants sitzen. Ich setze mich drauÃen an einen der ungedeckten Teakholz-Tische. Die dünne Schicht Sand, die darauf liegt, fege ich herunter, wobei ein Teil durch die Ritzen auf meine nackten Beine fällt. Ein Jogger schleppt sich träge am Meer entlang, das in einem tiefen Dunkelblau glänzt. Ich bekomme mein Frühstück, merke jetzt erst, dass einige Leute mich beobachten. Um mir ein wenig Schutz zu verschaffen, öffne ich die Zeitung, die ich von drinnen mitgenommen habe. Eine Klatschgeschichte über Ségolène Royal, was auch sonst? Ich lege die Zeitung wieder weg und bemerke, dass ich die einzige Person bin, die allein in einem Hotel am Meer übernachtet hat, und das, obwohl es in 50 Kilometer Umkreis kein Kongresszentrum gibt.
Am Abend färbt das Meer sich in ein unglaubliches Lila, in das sich Orange mischt. Am Strand kicken zwei Jungs sich gegenseitig einen Ball zu, sie sind vielleicht 20. Ich betrachte ihre aufrechten, gebräunten Oberkörper, die Freude, mit der sie hinter dem Ball herrennen, ihre kindlichen Sprünge, das Glück, das sie ausstrahlen.
Verwundert merke ich, dass mir Tränen über die Wangen laufen.
Am nächsten Tag komme ich mit der Arbeit gut voran, sodass ich mich gegen Mittag selbst zu einer Wanderung ans andere Ende von Saint Pierre einlade, wo ich noch nie gewesen bin. Die Küste wird von asphaltierten Flächen gesäumt, Parkplätzen, einem Platz für den Markt. Ich folge dem Pfad am Meer entlang und komme schlieÃlich an vorgelagerten, aneinandergeklebten Ferienhäusern vorbei. Alles ist klein und billig gebaut. Am Geländer auf der Meerseite sitzen kräftige Frauen in geblümten Badeanzügen und diskutieren breitbeinig miteinander. Es kommt mir vor, als würde ich immer wieder an denselben Menschen vorbeigehen, am gleichen Modell 60-jährige Hausfrau und Mutter. Die Frauen schauen sich eindringlich an, ihre Gespräche haben etwas Beleidigtes und zugleich Verschwörerisches, das ich ein wenig unheimlich finde. Man merkt, dass sie über jemand anderes sprechen â ich bin froh, dass es nicht um mich geht.
Ich komme schlieÃlich zu einem Gelände mit Wohnwagen. Es ist die Art von Campingplätzen, auf denen groÃe Familien ihren Tag damit verbringen, ihr eigenes Auto anzugucken. Die Leute in den Wohnwagen, die dem Meer am nächsten sind, strahlen ein besonderes Selbstvertrauen aus. Es ist wahrscheinlich nicht einfach gewesen, den besten Platz zu erobern, aber jetzt stehen sie hier, sind sie die Gewinner. Wohlwollend blicken sie von ihren Plastik-Relaxstühlen aus auf das Volk hinab, das an ihnen vorbeizieht â auch eine Definition von Erfolg.
Am Ende des Boulevards begegne ich einer Frau, die mit ihrem hübschen Kleid und der fröhlichen Ausstrahlung im Kontrast zu ihrer Umgebung steht. Erleichtert lächeln wir uns an.
Ich bin wieder zurück auf dem Weingut. Die groÃen Türen des Weinkellers sind weit geöffnet, es riecht nach Brombeeren,
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