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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lidewij van Wilgen
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empfunden habe, die Anzeichen von Oidium, Mehltau, zu erkennen. Jetzt suchen wir nach den kleinsten Flecken, machen die Blätter dann ab und vergleichen sie miteinander und teilen so die Freude unseres gemeinsamen Handwerks. Mit einer Lupe untersuche ich die Unterseite eines großen grünen Blatts. Da, ein winziges gelbes Pünktchen – durchscheinend gelb mit einem runden Hinterleib.
    Sicherheitshalber befrage ich mein Handbuch mit Fotos von vergrößerten Insekten. Tatsächlich, eine typhone , ein acarien utile , eine nützliche kleine Spinne. Wenn genug davon im Weingarten leben, braucht man keine Pestizide mehr, sie fressen alle Schädlinge.
    Ich gehe zum fünften Mal durch den Carignan vor dem Haus. Die Parzelle ist nicht groß, und rundherum wachsen Bäume und Sträucher, der natürliche Bewuchs des Bodens. Das Wort »Biodiversität« kommt mir in den Sinn. Mein Weingarten ist so ganz anders als all die kahlgespritzten Flächen, diese Ozeane der Monokultur, auf die das Languedoc ein Patent hat. Ich zähle die Spinnen, vergleiche sie mit der Skizze in meinem Buch, es sind ungefähr doppelt so viele wie die benötigte Untergrenze. Letztes Jahr habe ich schon keine Pestizide mehr eingesetzt – jetzt weiß ich, dass ich es nie mehr tun werde. 24 Hektar auf der Welt, die von den Kanistern mit den toten Fischen darauf verschont bleiben.
    Als ich im Weinkeller arbeite, steht plötzlich eine Frau am Eingang. Sie wirkt wie Ende 50, trägt eine große Brille, feste Schuhe und eine bequeme Hose. Es ist etwas Altmodisches an ihr. »Hello!«, sagt sie fröhlich und mit einem sehr britischen Akzent. »Kann ich Ihre Weine probieren?«
    Oh nein, denke ich, eine Touristin. Gerade jetzt, wo ich alle Schläuche angeschlossen habe. Ich will ihr sagen, dass es gerade kein guter Zeitpunkt ist, aber ich blicke in ein so gutmütiges, offenes Gesicht, dass ich den Schlauch aus der Hand lege. »Einen Augenblick habe ich Zeit.«
    Ich höre mir ihre Fragen über meine Arbeitsweise an und lege los – ich spreche über die Weingärten, über die garrigues ,die immergrünen Sträucher, die als natürlicher Bewuchs die Weingärten umgeben, über das natürliche Gleichgewicht, die Ernte und die Auswahl der Trauben. Schließlich hole ich ein paar Flaschen aus dem Keller. Die Frau probiert konzentriert die weißen Weine, äußert sich über Mineralstoffe, den auffallenden Säuregrad und das Bouquet. Dann probiert sie die Roten und nimmt sogar ein Notizbuch zur Hand. Ich probiere auch, höre mir ihre Bemerkungen an, lerne eine Menge über meine eigenen Weine.
    Â»This is really a very, very good surprise« , sagt die Dame schließlich, »normalerweise kaufe ich keine Weine, aber heute … Geben Sie mir doch einen Karton von dem Rosé und auch einen von La Diva .« Ein sonderbares Verhalten für eine Touristin, denke ich, während ich ins Lager gehe, probieren wollen, aber nichts kaufen. Ich rechne die beiden Kartons ab, nehme ihre Visitenkarte entgegen und lege sie gedankenverloren auf die Anrichte.
    Â»Rosemary George!«, sagt Aad, als er über das Wochenende da ist, »das ist eine bekannte englische Journalistin. Ein Master of Wine! Wusstest du das nicht?«
    Wenig später schickt mir Rosemary George eine ausführliche Mail mit einem Artikel, den sie über Mas des Dames geschrieben hat. Von da an bleiben wir in Kontakt.
    Unsere Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft beschäftigen Aad und mich jetzt schon wochenlang. Die Diskussion hat sich zu einem müden Vorwurfs-Tennis ausgewachsen, keiner erreicht je das Finale. Nicht nur wir, auch die Kinder haben inzwischen Angst vor den Wochenenden. Das Streiten nimmt kein Ende. Jetzt sitzen wir beide an dem großen schwarzen Tisch, zwei müde Boxer, die keine Lust mehr auf die nächste Runde haben.
    Aad schaut mich an, er ist ruhig geworden. »Meine Arbeit, die Werbung, das bin ich«, sagt er. »Ich finde das Weingut wunderschön, aber nur als Nebenschauplatz. Es sollte nie mein Leben bestimmen.«
    Â»Es ist längst zu meinem Leben geworden«, sage ich, »die Jahre hier haben mich verändert, der Ort, das Land, ich kann mir nicht mehr vorstellen, in einem Büro zu sitzen. Und die Kinder sind inzwischen Franzosen.«
    Zum ersten Mal fühle ich, wie Wut und Panik von mir abfallen. Wie als Außenstehende schauen wir

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