Traeume ernten
Burgund gesprochen. Uns war aufgefallen, dass unsere Weingüter genau den gleichen Ertrag bringen und dass wir beide gleichermaÃen viel Geld für die teure Handarbeit ausgeben. Wir ernten beide von Hand, sortieren und schneiden von Hand, kaufen teure Holzfässer. Der einzige Unterschied, den wir feststellen konnten, bestand darin, dass er 50 Euro für die Flasche verlangen kann und ich höchstens zehn. Wieder einmal frage ich mich, ob ich jemals von meinem Weingut werde leben können.
Ich lege letzte Hand an einen langen Artikel für das niederländische Blatt »En France«. Ich schreibe schon länger für das Magazin â eine schöne Ausrede, wenn ich die Region kennenlernen und mal etwas anderes tun möchte, als auf dem Weingut zu arbeiten. Bis jetzt fand ich es einfach nett, für das Blatt zu schreiben, jetzt werden mir auch die finanziellen Vorteile bewusst. AuÃerdem rufe ich »Moerland« an und schlage vor, das Wohnhaus im kommenden Sommer für ein paar Wochen zur Vermietung anzubieten. Wir verhandeln über den Preis â ich bin überrascht, dass ich mehr mit dem Weingut verdiene, wenn ich es für ein paar Tage verlasse, als wenn ich mich darauf abmühe.
Im Büro packe ich zwei Flaschen Wein sorgfältig in dicke Lagen Karton. Der Winzer aus dem Burgund hat mich mit Roy Cloud aus Washington in Kontakt gebracht, und der möchte die ersten Muster von meinem Wein. Ich lege einige Broschüren in das Paket, eine Preisliste, wer weiÃ, vielleicht wird etwas daraus.
»Lidewaaai!« Bruno steht vor dem Haus und brüllt â zehn Uhr, Zeit für seinen Kaffee. Ich verfluche mich selbst, dass ich diese blödsinnige Tradition ins Leben gerufen habe. Widerwillig schiebe ich meine Papiere zur Seite und schlage die Tür hinter mir zu, ein wenig zu heftig. Da sitzt unser dicker Junge schon am Tisch vor dem Haus und wartet darauf, bedient zu werden. Ich sehe schon im Vorübergehen, dass an seinem Lächeln etwas anders ist als sonst. Es ist honigsüà und auf unbestimmte Art ängstlich. Ich hole den Kaffee und schaue ihm dabei zu, wie er die berühmten vier Stück Zucker in seine Tasse plumpsen lässt. Dann finde ich ihn mit seinem runden Gesicht doch wieder sympathisch. »Bon, la labour, ça avance bien?« , eröffne ich das Gespräch. Er wirft mir einen gequälten Blick zu, hat offensichtlich keine Lust, übers Pflügen zu sprechen. Einen Moment lang schweigt er.
»Sie sind nicht nur einfach die patronne für mich«, sagt er dann. »Mes sentiments pour vous sont plus forts que le métier.«
Oh nein, denke ich, nur das nicht. Ein verliebter Bruno. Erschöpft schaue ich den freundlichen Jungen an, der vor mir sitzt, zehn Jahre jünger als ich und auÃerdem verheiratet. Worüber reden wir hier eigentlich? Im Geiste übersetze ich seine Worte: Bruno hat mehr als nur ein berufliches Interesse an mir â das könnten wir doch auch Freundschaft nennen! »Ich schätze dich auch sehr, Bruno«, sage ich, »es ist mir immer eine Freude gewesen, mit dir zusammenzuarbeiten.«
Gekränkt schaut er mich an, seufzt, trinkt seinen Kaffee aus, steht auf. Ich gehe zurück ins Büro.
Gut, denke ich, während ich auf meinen Stuhl falle, so läuft es also, wenn man als Frau alleine ist.
18
Henk hat die groÃen, blauen Türen weit geöffnet. Der langgezogene Lagerraum im Haus in Saint-Geniès ist jetzt sein Atelier, überall stehen groÃe Staffeleien, auf denen halbfertige Gemälde ausgestellt sind. Ich sehe eine von schwarz zu grau verlaufende Fläche mit einer schnellen Impression von einer Schar Gänse, ein scheinbar abstraktes Bild, in dem ich plötzlich die Berge des Hinterlandes erkenne. Henk unterhält sich in seinem blauen Overall voller Farbkleckse mit einem kleinen grauhaarigen Mann. Seit er das Atelier hat, arbeitet er mit geöffneten Türen, die hereinspähenden Nachbarn hat er einen nach dem anderen eingeladen. Inzwischen ist der Raum zu einer Art Dorfplatz geworden. Es gibt dort immer frischen Kaffee, und die Dorfbewohner schauen vorbei, um ein Schwätzchen zu halten. »Wozu brauchst du all die Menschen?«, fragt Simone, als sie Henk wieder einmal mit einem unbekannten älteren Menschen antrifft.
»Ach, ich finde es einfach schön«, sagt Henk. Er wendet sich wieder seinem Gesprächspartner zu, mit dem er sich in einem gepflegten,
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