Traeume ernten
nach Himbeeren, nach Kräutern wie Thymian und Rosmarin. Ich nehme den langen Schlauch vom Regal und schlieÃe ihn an die bordeauxrote Pumpe an. In der letzten Woche habe ich gemeinsam mit Xavier Billet die neue assemblage ausgewählt â und nun werde ich sie herstellen. Ich schlieÃe den Schlauch an ein groÃes Fass an, pumpe den ersten Teil des Weins hinüber und kontrolliere, dass es genau die Mengen sind, die ich mir notiert habe: 20 Hektoliter des Syrahs vom groÃen Feld, 30 Hektoliter vom Grenache. Da wir die Trauben eines jeden Weinfeldes getrennt zu Wein verarbeiten, können wir die Mischung sehr genau bestimmen. Langsam, aber sicher füllt sich das groÃe Fass.
Nachdem alle Weine eingefüllt sind, schlieÃe ich unten am Fass einen Schlauch an, den ich über die Pumpe oben wieder in dasselbe Fass münden lasse â eine remontage dâhomogénéisation . Ich steige auf die Leiter, schaue in den dunkelroten Wirbel, lasse mich genieÃerisch vom dichten Geruch der roten Früchte betäuben. Ich nehme ein Glas, schmecke und denke, dass das der beste Wein sein muss, den wir bisher gemacht haben.
Nicht weit von Béziers entfernt, in einer beinahe völlig flachen Umgebung, liegt das Weingut La Madeline . Ich hatte bereits von ihm gehört â die Flaschen mit dem geblümten Etikett sieht man überall â, und so hatte ich etwas GroÃartiges erwartet. Aber mein Navi führt mich zu einer unzusammenhängenden Gruppe von Gebäuden an einem Weg. Hinter einem Zaun liegt ein kleiner Innenhof mit Kies, auf dem einige unordentlich geparkte Autos stehen. Ich bin erleichtert, als ich feststelle, dass eines davon Xavier gehört. Dann sehe ich den einfachen Weinkeller hinter einer Glasschiebetür in einem Gebäude aus Beton, an das links und rechts kleinere Gebäude angebaut wurden. Ich vermute, dass dort die Verwaltung untergebracht ist.
Xavier kommt mir aus dem gröÃten Bürogebäude entgegen: »Ach, wie schön, dass Niederländer immer pünktlich sind!« Ich schaue auf mein Handy, tatsächlich, ich bin wieder fast eine Viertelstunde zu spät. Xavier geht mir in den Weinkeller voraus, wo auf dem hellbeigen Boden zu beiden Seiten riesige Edelstahlfässer aufgestellt sind â das Ganze erinnert an eine Milchfabrik. In der Mitte des Raumes steht eine komplexe Installation aus langen Rohren â eine Wundermaschine, mit der dem Wein Alkohol entzogen werden kann. Der Besitzer, ein älterer Mann mit Zopf im Fleecepulli, erklärt uns, dass sie wie ein Filter funktioniert. Der Wein wird unter Druck durch die Röhren gepumpt. Der Druck sorgt dafür, dass sich der Alkohol vom Wein trennt und anschlieÃend aufgefangen werden kann.
Wir gehen nach drauÃen, wo die Installation in einen langen Schornstein aus Edelstahl mündet, der sicher sechs Meter in die Luft ragt. Auch hier stehen verschiedene Apparaturen und ein Kessel mit etlichen groÃen Drehrädern. Die Konstruktion fällt auf, ich frage den Eigentümer, ob das hier überhaupt legal ist. »Die AOC -Richtlinien erlauben es nicht«, sagt er. »Aber der Vin de Pays wird nach anderen Regeln hergestellt. Also sage ich mir: Stell keine Fragen, wenn es Probleme gibt, wirst du es schon merken.« Soweit er wisse, würden alle groÃen kalifornischen Weine auf diese Weise behandelt. »Ich selber mag auch keine Weine mehr, die über elf Prozent haben«, schnaubt er.
Auf dem Weg zurück zum Probierraum öffnet er die Tür zum Lager: ein riesiger Schuppen, in dem auch noch eine lange Reihe Flaschen aufgestellt ist. Ich sage an den richtigen Stellen »Oh« und »Ah« und ernte einen zufriedenen Seitenblick von Xavier. Wir kommen an der Presse vorbei, die mindestens vier Mal so groà ist wie meine.
»Oh, wir haben drei davon«, sagt der stolze Besitzer, während er mir zu einer weiteren Reihe Fässer mit ungefähr 300 Hektoliter Fassungsvermögen vorausgeht, die drauÃen in einem Chaos aus losen Paletten und herumliegenden Bauteilen von Landwirtschaftsmaschinen aufgestellt sind. »Lidewij macht auf ihrem Gut alles von Hand«, erzählt Xavier.
Der Mann schaut mich beinahe mitleidig an. Eine Hobbywinzerin, nett und unterhaltsam, aber natürlich keine Konkurrenz. »Wie viel produzierst du noch mal?«, fragt Xavier. Meine 350 Hektoliter ringen dem Mann nur ein müdes Lächeln ab. »Wir erzeugen
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