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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasunari Kawabata
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Flügelgeflatter hörte sich chaotisch an. Sobald der Lastwagen anfuhr, begannen die Vögel wie wild zu lärmen.
    »Aber nein, ein gutes Vorzeichen. Ein besseres, heißt es, kann man sich nicht wünschen.«
    Als wollte er mit dem Wagen seine Worte sichtbar demonstrieren, glitt der Fahrer auf die rechte Spur hinüber und begann die Trauerkolonne energisch zu überholen.
    »Wie merkwürdig! Das wäre also das genaue Gegenteil!« lachte der Mann und dachte dabei: immerhin ist es ganz natürlich, wenn sich der Mensch so zu denken angewöhnt.
    Dies eben mochte ein weiterer sonderbarer Anlaß dafür sein, daß ihn auf dem Weg zu Chikakos Tanzabend ausgerechnet solche Dinge beschäfigten. Freilich, um von schlimmen Vorzeichen zu reden: daß er in seinem Hause tote Tiere hatte herumliegen lassen, war zweifellos ein noch schlimmeres, als auf der Straße einem Trauerzug zu begegnen.
    »Vergiß nicht, sobald wir zurück sind heute abend, die Goldhähnchen zu beseitigen! Sie werden noch im Wandschrank oben liegen«, sagte er, wie um es loszuwerden, zu dem Hausmädchen.
    Seit die Goldhähnchen gestorben waren, ein Pärchen mit chrysanthemenfiedrigen Hauben, war bereits eine Woche vergangen. Die Vogelleichen aus dem Käfig herauszuholen, schien ihm zu mühevoll, also hatte er sie, wie sie waren, in den Wandschrank geschoben. In den Wandschrank, der sich, stieg man die Stufen hinauf, gleich oben am Ende der Treppe befand. Obwohl sie, wenn Gäste kamen, jedesmal die Sitzkissen unter diesem Käfig hervorgezogen, hatten er und das Hausmädchen sich schon so an die Vogelleichen gewöhnt, daß sie einfach vergaßen, sie zu beseitigen.
    Das Goldhähnchen gehört neben der Tannenmeise, der Sumpfmeise, dem Zaunkönig, der Blaudrossel und der Schwanzmeise zu den kleinsten Stubenvögeln. Der Rücken ist grünoliv, der Bauch hellgelb bis aschfarben, auch die Halsseiten sind fahlgrau; die Flügel zeigen zwei weiße Streifen, ihr äußerer Rand dagegen, mit dem sie den Wind zerteilen, eine gelbe Färbung. Am Oberkopf befindet sich ein fetter schwarzer Strich, der einen gelben Fleck einfaßt. Sobald sich die Federn bauschen, wird dieser gelbe Fleck deutlich sichtbar und erscheint ganz wie eine aufgesetzte gelbblütige Chrysantheme. Beim Männchen reicht das Gelb bis zu einem kräfigen Orange. Die runden Augen des kleinen Vogels haben etwas von einem drolligen Charme, und wenn er vergnügt mit lebhafen Bewegungen an den oberen Käfigstäben hinund herhüpf, ist er wirklich hübsch und von einer feinen Anmut zugleich.
    Da es, als der Vogelhändler das Pärchen gebracht hatte, Abend gewesen war, hatte der Mann den Käfig einfach auf den dämmrigen Hausaltar gestellt. Wie er nun nach einer Weile wieder hinsah, waren die Vögel in einer allerdings bezaubernden Haltung eingeschlafen. Eng aneinandergerückt, hatte jeder der beiden seinen Kopf in das Körpergefieder des anderen geschoben, so daß sie zusammen rund wie ein Wollknäuel geworden waren. Unmöglich, den einzelnen Vogel herauszukennen.
    Der Mann, ein Junggeselle nahe den Vierzigern, fühlte eine kindliche Zärtlichkeit seine Brust erwärmen, und lange sah er so, aufrecht am Eßtisch stehend, auf den Hausaltar hin.
    Ob sich, überlegte er, unter Menschen auch junge Liebende finden, die so schön miteinander schlafen, – ein Paar wenigstens in irgendeinem Lande? Und ihn überkam das Verlangen, mit jemandem zusammen diese Schlafenden zu betrachten, aber das Hausmädchen rief er dann doch nicht.
    Vom folgenden Tag an hatte er auch während seiner Mahlzeiten den Vogelkäfig auf dem Eßtisch stehen, um dabei die Goldhähnchen zu beobachten. Tatsächlich pflegte er sich selbst dann nicht von seinen Lieblingstieren zu trennen, wenn er Besuch hatte. Was der Gast erzählte, drang kaum an sein Ohr; vielmehr mochte er vollauf damit beschäfigt sein, ein junges Rotkehlchen dadurch handzahm zu machen, daß er ihm mit hinund hergehender Hand Futter auf dem Finger vorhielt, oder er knackte geduldig die Flöhe eines Shiba-Hunds auf seinem Schoß und meinte dabei: »Der Shiba-Hund hat etwas von einem Fatalisten an sich, das gefällt mir. Ob man ihn so auf den Schoß nimmt oder in eine Zimmerecke setzt, – manchmal rührt er sich dann halbe Tage lang nicht von der Stelle.«
    Häufig geschah es, daß er seinen Besuch noch nicht einmal ansah, bis dieser sich erhob und ging.
    Sommers setzte er in einem Glasbecken auf dem Tisch im Empfangszimmer rote Karauschen und Zwergkarpfen aus. »Mag sein, es liegt an meinen

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