Träume in Kristall
Jahren, jedenfalls ist mir die Gesellschaf von Männern allmählich verleidet. Sie sind mir zuwider. Sie machen mich augenblicklich müde. Ob beim Essen oder auf einer Reise, – am liebsten bin ich mit einer Frau zusammen.«
»Wäre es da nicht besser zu heiraten?«
»Das taugte auch nichts, weil es möglichst eine Frau sein sollte, die gefühllos scheint. Schließlich ist es doch das angenehmste, sich zu sagen: nun ja, sie hat eben keine Gefühle, – und im Verkehr mit ihr völlig gleichgültig zu bleiben. Auch Hausmädchen stelle ich nur noch solche ein, die möglichst wenig Gefühl zeigen.« »Deshalb halten Sie sich also Tiere?«
»Tiere sind nur selten gefühllos … Und hätte ich nicht immer etwas Lebendiges um mich, wäre ich ja doch sehr einsam.«
Während er so vor sich hin redete und aufmerksam
zusah, wie sich an den vielfarbigen kleinen Karpfen im Glasbecken beim Umherschwimmen das Schillern der Schuppen immer wieder veränderte, und dachte: was ist das doch für eine zarte Lichtwelt selbst in einem so engen Wasser! – hatte er seinen Gast völlig vergessen.
Sobald der Händler irgendeinen neuen Vogel in die Hand bekam, brachte er ihn stillschweigend zu ihm. Es kam vor, daß in seinem Arbeitszimmer dreißig verschiedene Arten von Vögeln lebten.
Und meinte das Hausmädchen widerwillig: »Schon wieder der Vogelhändler?« –, so antwortete er: »Warum nicht? Denk nur daran, wie mich das nun wieder für einige Tage in gute Laune versetzt; so preiswert ist das sonst nicht zu haben.«
»Aber der Herr schaut dann wieder mit ernstem Gesicht bloß die Vögel an.«
»Was denn, ist dir das unbehaglich? Scheint es dir, ich würde verrückt? Dir ist es in diesem Hause zu still und zu einsam, wie?«
Für ihn aber waren die ersten zwei, drei Tage, nachdem ein neuer Vogel hinzugekommen war, von dem Gefühl erfüllt, sein Leben wäre wieder jung und frisch geworden. Dankbarkeit empfand er dann gegenüber dieser Welt. Vielleicht war es seine eigene Schuld, aber Menschen vermochten dergleichen Empfindung kaum in ihm wachzurufen. Und schon allein dadurch, daß die Vögel sich lebendig bewegten, waren ihm hier die Wunder der Schöpfung leichter verständlich als in der Schönheit von Muschel und Blume. Noch als Käfigvögel offenbarten diese kleinen Wesen so völlig ihre Freude am Leben.
Bei dem zierlichen und lebhafen Goldhähnchenpaar traf dies besonders zu. Ungefähr einen Monat später indessen, als sie gefüttert wurden, flog einer der Vögel aus dem Käfig heraus. Und das Hausmädchen, verwirrt, ließ ihn davonflattern bis über den Schuppen in den Kampferbaum. Morgendlicher Reif lag auf den Blättern des Kampferbaums. Die beiden Vögel, der eine drinnen, der andere draußen, erhoben laut ihre Stimmen und riefen einander zu. Rasch setzte der Mann den Käfig auf das Schuppendach und legte eine Leimrute dazu. Zwar wurde ihr Rufen um so herzzerreißender, schließlich aber um Mittag war der entkommene Vogel in die Ferne fortgef logen. Diese Goldhähnchen stammten aus den Bergen bei Nikkō.
Übrig geblieben war das Weibchen. Sich erinnernd, wie die beiden miteinander geschlafen hatten, bedrängte der Mann den Vogelhändler unablässig um ein anderes Männchen. Er lief sogar selber in alle Vogelhandlungen, doch fand er keines. Endlich besorgte ihm sein Händler ein neues Pärchen aus der Provinz. Auf seinen Einwand, er wolle nur ein Männchen, meinte der Vogelhändler: »Sie waren nun einmal ein Pärchen. Den einen allein im Laden zu behalten, hätte keinen Sinn; machen wir es also so, daß ich Ihnen das Weibchen umsonst dazugebe.«
»Ob sich denn aber die drei miteinander vertragen?« »Ich denke schon. Wenn Sie die beiden Käfige einige Tage Seite an Seite aufstellen, werden sie sich gewiß aneinander gewöhnen.«
Doch er, darin wie ein Kind, das ein neues Spielzeug gleich auch benutzt, konnte nicht so lange warten. Kaum, daß der Vogelhändler gegangen war, setzte er die beiden neuen Vögel zu dem einen alten in den Käfig. Es kam zu einem Tumult, der über das hinausging, was er erwartet hatte. Ohne nur den Fuß auf die Sitzstange zu setzen, flogen die beiden neuen Vögel wild flatternd von einer Ecke des Käfigs in die andere. Das alte Goldhähnchen, vor übergroßer Furcht starr auf dem Käfigboden hockend, sah unschlüssig hinauf, wie die beiden tobten. Die schrien einander zu wie ein Ehepaar im Augenblick der Gefahr. Bei allen dreien klopfe das verängstigte Herz wie rasend. Als er den Käfig in
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