Träume jenseits des Meeres: Roman
verheiraten. Und bestimmt hast du nichts Besseres zu tun gehabt, als mit seinen Beziehungen zu prahlen.«
Maud errötete. »Ich will doch nur dein Bestes. Überleg doch nur, Susan, du wärst Herrin in deinem eigenen Haushalt – die Frau des Pfarrers –, jemand, zu dem die ganze Gemeinde aufschauen würde.«
»Die Lady will mich unter die Haube bringen, bevor Jonathan zurückkehrt«, erwiderte Susan kühl. »Und du willst den anderen Klatschbasen an den Salzfässern um eine Nasenlänge voraus sein. Nun, ich will ihn nicht. Schluss, aus.«
»Ich wusste, du würdest dich querstellen. Ich dachte, wenn ich vielleicht versuchen würde … Aber es ist zu spät.«
Susan spürte, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich. »Wieso?«
»Ich habe angedeutet, du würdest Mr. Collinsons Antrag wohlwollend entgegennehmen«, erwiderte Maud kleinlaut.
»Dann muss ich ihn eben enttäuschen.«
Maud schüttelte den Kopf, so dass ihr die Haube in die Stirn rutschte. »Da hast du was falsch verstanden«, krächzte sie. »Lady Cadwallader hat versprochen … Und ich habe versprochen …« Ihr fehlten die Worte.
Susan starrte sie entgeistert an. »Was hast du versprochen?«, flüsterte sie.
»Dass du damit einverstanden sein wirst, Mr. Collinson zu heiraten.« Maud straffte die Schultern und sah in das wütende Gesicht ihrer Tochter. Mit belegter Stimme redete sie schnell weiter. »Lady Cadwallader hat mich an dem Tag zu sich rufen lassen, nachdem dein Vater … Sie hat versprochen, dass sie im Fall deiner Eheschließung die entsprechenden Papiere unterzeichnen will, die unserer Familie ein lebenslanges pachtfreies Wohnrecht in der Kate gewähren.«
Susans Beine wollten sie nicht mehr länger tragen. Sie sank ins Gras und schlang die Arme um die Knie. »Wie konntest du so etwas nur tun?« Sie rang nach Luft. »Du bist meine Mutter. Du solltest mich beschützen und mich nicht an den Meistbietenden verhökern, als wäre ich der Fang des Tages.«
Maud schien ihre ungeheure Kraft teilweise wiedererlangt zu haben, als ihr Schatten über Susan fiel. Ihre Stimme war fest und duldete keinen Widerspruch. »Mir blieb nichts anderes übrig. Wenn du Mr. Collinson nicht heiratest, werden wir innerhalb kürzester Zeit aus der Kate fliegen. Wir haben kein Boot, keinen Mann, der sich um uns kümmert. Wohin sollen wir dann gehen, was wird aus dir und Billy und mir?« Ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter. »Sollen wir draußen im Moor leben wie die armen Seelen, die sich mit dem Sieben des Schlamms vor den Schachtöffnungen ihren Lebensunterhalt zusammenkratzen? Soll ich zusehen, wie mein einziger überlebender Sohn in die Mine hinuntergeschickt wird, damit er an Lungenfieber stirbt, noch ehe er die dreißig erreicht hat?«
»Wir würden schon eine Möglichkeit finden«, stieß Susan zwischen tauben Lippen hervor.
»Wie denn?«, rief ihre Mutter. »Ohne Boot haben wir keinen Fisch zu verkaufen, und es ist schwer genug, überhaupt Arbeit zu finden, bei so vielen Witwen.« Die Energie verließ sie so rasch, wie sie gekommen war, und sie schien in den Tränen ihrer Verzweiflung zu schrumpfen.
Susan konnte ihre Mutter durch die eigenen Tränen hindurch kaum erkennen. Langsam erhob sie sich, nahm Maud in die Arme und hielt sie fest. Maud hatte Recht. Sie hatte keine andere Wahl. Sie saß in der Falle.
April 1770, Great Barrier Reef
Es war eine klare, mondhelle Nacht. Eine leichte Brise füllte die Segel, während die Endeavour langsam die Küste entlangpflügte. Vor ein paar Wochen hatten sie zum ersten Mal Land gesichtet, und da das Wetter besser wurde, war Josiah endlich seefest geworden. Er hatte es sich auf einem Stuhl an Deck bequem gemacht, eingehüllt in Decken, die seine Pfeife fast in Brand steckte. Sein zerfurchtes Gesicht und die tiefen Ringe unter den Augen zeugten von seinem Leiden. Er sah zu, wie die Matrosen das Lot warfen, um die Wassertiefe zu messen. »Knifflige Angelegenheit bei so vielen Inseln und einer nicht kartographierten Küste«, murmelte er. »Cook geht ein hohes Risiko ein, wenn er diese Gewässer im Dunkeln befährt.«
Jonathan, der sich genießerisch einen Brandy und eine Zigarre nach dem Essen gönnte, betrachtete den herrlichen Himmel. Die Sterne hinter den aufgeblähten Segeln waren ein lohnender Anblick, und er kam noch immer nicht darüber hinweg, dass die Sternbilder hier im Süden so hell und klar waren. »Er hat es bisher doch ganz gut geschafft«, murmelte er. »Und du musst zugeben, Onkel: Die
Weitere Kostenlose Bücher