Träume jenseits des Meeres: Roman
wieder flottzumachen.
Es war inzwischen elf Uhr morgens, und alle waren erschöpft, doch Cook befahl, das Schiff von allem zu erleichtern, was ihnen in den Sinn kam; es war zwingend notwendig, das Schiff noch vor Einsetzen der Flut freizubekommen.
Zögernd begann Josiah die Bücher in der Bibliothek einzusammeln, während die Regale abgebaut wurden. Fässer mit Rum und Bier wurden aus dem Frachtraum geholt, und die Seeleute sahen mit finsterem Blick zu, wie sie abdrifteten. Jonathan ging in seine Kabine und warf die schweren Koffer und Truhen über Bord, bevor er auch die Kojen herausriss und sich der Möbel entledigte. Aus der Kombüse schleuderte der einarmige Koch Töpfe und Pfannen sowie Mehlsäcke und Gemüse hinaus; er schrie seine Männer an, den schweren Tisch und die großen Steine – das waren seine drei Kochstellen, auf die er so stolz gewesen war – abzuschrauben.
Sie arbeiteten gegen die Tide, das Wasser begann zu steigen und drang in das Schiff ein. Zwei Pumpen liefen im Frachtraum auf Hochtouren, doch kurz vor Mittag krängte die Endeavour bedenklich nach Steuerbord.
»Besetzt alle vier Pumpen«, befahl Cook. Es war inzwischen fünf Uhr nachmittags, und die Flut stieg.
Jonathan zog Sydney hinter sich her ins Innere des Schiffes und versuchte, zusammen mit drei anderen Männern die vierte Pumpe zu bedienen. Doch etwas stimmte nicht. Sie bewegte sich nicht, auch nachdem Jonathan mit beträchtlicher Kraft den Schwengel betätigte. Wütend trat er dagegen und stieß alle Flüche aus, die er kannte, doch das Ding wollte nicht in Gang kommen – und die Zeit lief ihnen davon. Das Wasser stieg, das Schiff richtete sich wieder auf, und das Leck holte die drei verbleibenden Pumpen ein. Von Minute zu Minute wurde Sydneys Prophezeiung wahrscheinlicher. Zum ersten Mal im Leben lernte Jonathan das Gefühl der Angst kennen.
Die Nacht war hereingebrochen, alle waren verdreckt und erschöpft; sie nahmen alle Energie zusammen, um die Pumpen zu bedienen. Das Schiff hatte sich aufgerichtet, doch das Leck drohte sie zu bezwingen.
Jonathans Muskeln schmerzten, die Hände waren von Blasen übersät, und der Schweiß durchnässte sein Hemd und brannte in den Augen. Im Bauch der Endeavour war es dunkel und muffig; das Wasser schwappte um Jonathans Waden. Trotz seiner Entschlossenheit, die Ruhe zu bewahren, kehrte die Angst zurück. Sie waren sieben Meilen von der Küste entfernt, nach mehr als vierundzwanzig Stunden Plackerei zu weit, um zu schwimmen. Vielleicht war es ihm eben doch bestimmt, in der sternenklaren Nacht dieses südlichen Ozeans zu ertrinken.
Neun Uhr war längst vorbei. Ihre Lage blieb unlösbar. Wenn sie vom Riff nicht loskämen, würde das Schiff kentern und auseinanderbrechen. Falls sie es flottbekämen, würde Wasser eindringen, und sie würden sinken.
»Uns bleibt nichts anderes übrig, als es hochzuwuchten«, sagte Cook, als er neben den Pumpen stand. »Es ist ein Risiko, doch müssen wir es eingehen, wenn wir überhaupt noch eine Chance haben wollen. Ich brauche alle Hände, die an den Pumpen entbehrt werden können, um die Ankerwinde zu bedienen.«
Jonathan betrachtete Sydney, der in Schweiß gebadet war, die Hände warfen blutige Blasen nach der ungewohnten Arbeit. »Pump weiter«, befahl er ruhig. »Cook scheint zu wissen, was er tut.«
Kurz nach zehn Uhr an jenem Abend trieb die Endeavour zu guter Letzt in tiefes Wasser. Im Frachtraum stand das Wasser einen Meter hoch, als das Vorbramsegel und die Fockrah gehisst wurden und man das Schiff nach Südosten in Richtung Land verholte. Müde kletterten Jonathan und Sydney an Deck, um sich auszuruhen. Da wurden einige Seeleute auf eine Seite beordert, um an einem Unterleesegel zu arbeiten oder die Tierverschläge auszuschaufeln – eine absurde Aufgabe zu dieser Zeit. »Was machen die da?«, fragte Jonathan den grauhaarigen Seemann, der eifrig mit ihm an den Pumpen gearbeitet hatte.
»Sie treffen Vorbereitungen, das Schiff zu stopfen«, lautete die krächzende Antwort. Der Mann schwitzte immens, an Hals und Armen traten die Adern hervor. »Sie machen einen Stöpsel für die Löcher.«
»Wie soll das gehen mit einem Stück Segeltuch?«
Der Seemann spie einen Brocken Speichel über die Reling und sah ihn an, als solle er lieber nachdenken, bevor er Fragen stellte. »Wir winden die alten Seile auf und vermischen sie mit Wolle, zerhacken das Ganze in kleine Stücke, die wir an das Segel stecken. Dann schmeißen wir Hühnerkacke und
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