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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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Schweinemist und alle Arten von Scheiße, die wir auftreiben können, darauf. Pferdemist ist am besten, aber wir haben keinen, deshalb sind die Hunde schließlich doch noch nützlich – dann ziehen wir es mit Seilen unter dem Schiff hindurch.«
    »Und wenn ihr nicht wisst, wo das Loch ist? Was dann?«
    Die Triefaugen sahen ihn verächtlich an. »Wir holen das verdammte Ding natürlich von einem Ende zum anderen Kiel, bis wir es finden.«
    »Und dann?« Der Seemann wurde seiner Fragen offensichtlich überdrüssig – Jonathan wollte aber unbedingt verstehen, was vor sich ging.
    Der Seemann spuckte wieder aus. »Dann wird die Wolle und alles abgewaschen und treibt ins Loch und stopft es so weit zu, dass wir an Land kommen.«
    »Genial«, murmelte Jonathan.
    »Du solltest lieber hoffen, dass es funktioniert, Kumpel. Sonst werden wir beide pumpen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.«
    Sydney warf sich auf die Planken, das Gesicht grau vor Anstrengung. Jonathan reichte ihm den kleinen silbernen Flachmann mit Brandy, den sie sich bis zum letzten Tropfen teilten.
    »Alle Pumpen bis auf eine anhalten!«, lautete der Befehl nach stundenlangem nervösem Warten. »Das Stopfen hat so weit funktioniert, dass wir an Land kommen.«
    Die Stimmung an Bord besserte sich, Passagiere und Mannschaft streckten sich an Deck aus; zwei Beiboote wurden ausgeschickt, um die Küste nach einem sicheren Hafen abzusuchen, in dem sie ihre Reparaturen vornehmen konnten.
    Taumelnd entfernte sich Jonathan von dem Foltergerät, an dem er so viele Stunden gearbeitet hatte, und tauchte in die frische Luft ein. Rücklings ließ er sich gegen die leer geräumte Luxuskabine fallen und streckte die Beine aus. Er hatte sich völlig verausgabt, war zu müde zum Essen, Schlafen oder Reden. Sydney brach neben ihm zusammen, Arme und Beine zitterten nach der ungewohnten Anstrengung, seine schmale Brust hob und senkte sich.
    Josiah war es gelungen, seinen Stuhl zu behalten. Er trug ihn zu ihnen hinüber und setzte sich. »Gut gemacht, Jungs«, dröhnte er und tupfte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich wusste doch, dass Cook uns nicht im Stich lassen würde.«
    Jonathan betrachtete ihn liebevoll: Nichts dergleichen hatte er gewusst, doch zumindest hatte der drohende Schiffbruch so weit weg von zu Hause Farbe in sein Gesicht zurückkehren und seine hochtrabende Art wieder aufleben lassen.
    Tahiti, April 1770
    Die Insel ruhte still in der Mittagshitze, denn es lagen keine Schiffe in der Bucht vor Anker, und das einzige Auslegerkanu war an Land gezogen. Der Strand war bis auf ein paar watende Vögel einsam und verlassen, und im Herzen des Dorfes regte sich im Schatten der Palmen nichts außer trägen Rauchfahnen aus ausgebrannten Hütten. Wo einst Frauen an den Feuerstellen gekocht und Kinder gespielt hatten, war die Mitte der Lichtung still und menschenleer, nur alte Kochtöpfe und zerteilte Kokosnussschalen lagen noch herum. Der Geruch nach Tod hing über dem verlassenen Dorf.
    Die Krankheit war ein paar Wochen zuvor auf die Insel gekommen, eingeschleppt von den Seeleuten von einem der großen Schiffe, die in der Bucht anlegten. Zunächst hatte man sich nur wenig Sorgen gemacht, denn seit die Schiffe kamen, hatte es immer Krankheiten auf der Insel gegeben, und die Medizinfrau schien sie unter Kontrolle zu haben.
    Dann aber begannen Menschen zu sterben. Die ganz Jungen und die Alten und Schwachen als Erste, dann traf es die kräftigeren Männer und Frauen und riss eine verheerende Lücke in die Bevölkerung. Nur wenige überlebten die Krankheit, und das schien reiner Zufall zu sein. Panik machte sich breit, denn Tupaia, ihr klügster und am meisten geachteter Anführer, war noch mit Cook unterwegs, und die Heilmittel der Medizinfrau wirkten nicht mehr. Diejenigen, die vom Fieber nicht befallen waren, gingen fort; sie packten ihre Habe in ihre Auslegerkanus und paddelten zu anderen Inseln in der Hoffnung, dem Tod zu entkommen. Sie ließen die Sterbenden zurück und die wenigen, die sich um sie kümmern wollten.
    Lianni war vom Fieber geschüttelt, die Zähne klapperten, der bunte Sarong und die geflochtene Grasmatte unter ihr waren schweißnass. Sie lag in der Palmenhütte auf dem Boden und krümmte sich mit angezogenen Knien, um das Zittern zu unterdrücken, unter der dünnen Decke. Die roten Flecken, die vor einiger Zeit aufgetaucht waren, juckten und brannten, doch auch kühles Wasser oder Kratzen verschaffte ihr keine Erleichterung. Es war eine unsägliche

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