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Traeume von Fluessen und Meeren

Traeume von Fluessen und Meeren

Titel: Traeume von Fluessen und Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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Nummer im Hotel, sagte er, ständen auf dem Block neben dem Telefon.
    »John, ich kann mir vorstellen, wie schlimm das alles ist«, fügte Paul an der Tür mit ruhiger Stimme hinzu, »aber die Frage der Bestattung muss geregelt werden. Der Leichnam Ihrer Mutter wird heute Vormittag freigegeben. Ich habe angeordnet, dass er in ein Bestattungsinstitut gebracht wird. Ich werde Ihnen die Nummer aufschreiben.«
    John gab keine Antwort. Er stand am Tisch und betrachtete die Regale voller Bücher und Videos. Wie staubig alles war. Als würden sie förmlich davon angezogen, strichen seine Finger über die Delle, die seine Steinelefanten hinterlassen hatten. Mum und Dad sind mir beide entkommen, dachte er.
    Inzwischen brachte das ältere Hausmädchen Tee auf einem englischen Tee-Tablett. John hatte ihren Namen vergessen. Sie deckte den Tisch mit Sets und Tassen und stellte die große weiße Kanne dazu.
    »Wären Sie einverstanden«, fragte Paul mit sanfter Sachlichkeit, »wenn ich die gleiche Zeremonie veranlassen würde, die Helen für Ihren Vater bestellt hatte? Im christlichen Krematorium? Man muss die Dinge hier schnell erledigen, wissen Sie. Es wäre morgen. Spätestens übermorgen.«
    John musste genickt haben. Der Amerikaner sagte leise etwas zu Elaine und ging dann.
    Sie tranken Tee. Nach kurzem Schweigen fing Elaine an zu erklären, dass sie das Stück, an dem sie gearbeitet hatte, aufgegeben hatte, um nach Delhi zu kommen und ihn zu suchen. »Vielleicht war es eine Vorahnung«, sagte sie. »Mir ist plötzlich klar geworden, wie wichtig du mir bist.«
    John betrachtete die Regale, das Gewicht der Bücher seines Vaters, die seltsame Kargheit der Welt seiner Eltern. Sie waren beide nicht mehr da.
    »Möchtest du nicht reden?«
    Es klingelte an der Tür. Ein schriller, altmodischer Ton. Lochanas Tochter und Enkelin waren eingetroffen. Die ältere Frau machte ihnen die Tür auf. Vimala kam herüber, um zuerst John, dann Elaine die Hand zu geben. Das Mädchen schien unbedingt etwas sagen zu wollen, setzte sich dann aber nur an den Tisch und öffnete und schloss abwechselnd die Knie in den pinkfarbenen Hosen, während ihre Mutter versuchte, mit John über Lochana zu sprechen.
    »Sie werden sicher nach England zurückgehen, denke ich.« Die Frau sprach schroff, mit dunkler, eindringlicher Stimme. »Und was wird aus meiner Mutter, Sir? Sie arbeitet jetzt fünf Jahre für Mrs. James. Es wird nicht leicht sein für sie, in ihrem Alter eine neue Stelle zu finden.«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte John. Er hatte sich wieder gesetzt. »Ich habe kein Geld, und meine Eltern haben rein gar nichts hinterlassen.« Er öffnete die Hände, um seine Mittellosigkeit zu illustrieren. Insgeheim war er froh, dass seine Mutter keine Vorkehrungen für ihr Dienstmädchen getroffen hatte.
    Als sie aufstand, um zu gehen, fragte Vimala leise: »Darf ich ein Buch mitnehmen, Mr. John? Als Erinnerung an Ihren Vater? Sie wissen, ich habe ihm auch bei seinen Recherchen geholfen.«
    »Nehmen Sie, was Sie wollen.«
    Ohne zu zögern, ging das Mädchen quer durch den Raum, blieb vor dem Regal an der Wand gegenüber stehen und bückte sich zum untersten Brett hinunter. Sie besaß eine natürliche, fließende Anmut. Ihre schlanke Hand glitt flink über die Buchrücken, dann seufzte sie und zog ein Exemplar von Alice hinter den Spiegeln hervor. »Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte sie, als sie wieder hochkam. »Vielen Dank, Mr. John.«

    Als die Inderinnen gegangen waren, sagte John zu Elaine, er müsse sich ausruhen. Er stand auf und ging ins kleine Schlafzimmer, das Gästezimmer. Ungefähr eine Stunde lang saß Elaine alleine auf dem Sofa. Sie las eine SMS auf ihrem Handy, antwortete aber nicht darauf. Sie ging ans Fenster und schaute hinaus in die drückende Hitze. Wohnblöcke waren wie zufällig zwischen dunklem Gestrüpp und unbefestigten Straßen verteilt. Der Himmel war verhangen und still, die Landschaft von einem öden Rotbraun.
    Elaine wandte sich wieder den Regalen im Zimmer zu und suchte nach etwas zu lesen. Irgendetwas. Gesellschaft in Indien. Die Soziologie des Kastenwesens nahm sie heraus, Louis Dumont. Sie setzte sich wieder, blätterte die Seiten durch, konnte sich aber nicht konzentrieren. Das Inhaltsverzeichnis führte sie zu einem Kapitel mit der Überschrift »Eheliche Verbindungen«. Sie versuchte, die ersten Zeilen zu lesen: »Rufen wir uns insGedächtnis, dass weder vorehelicher Verkehr noch Ehebruch toleriert werden.« Sie drehte

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