Traeume wie Samt
langen, tiefen Schluck. »Nun denn, wie ist das süße Leben in der großen Stadt?«
»Gut.« Harry wartete. Vor langer Zeit hatte er gelernt, daß es sich bei Leon niemals auszahlte, Eifer oder Ungeduld zu zeigen. Leon reizte die Menschen gern, bis sie etwas Unüberlegtes taten.
»Mist. Ich verstehe noch immer nicht, wie du so leben kannst«, sinnierte Leon. »Wo ist bei dir der Geist der Trevelyans geblieben?«
»Keine Ahnung.« Harry nahm einen kleinen Schluck Bier.
»Kein Mumm, keine Ehre, mein Sohn. Hast du noch nie von dieser Weisheit gehört?«
»Ich höre sie jedesmal, wenn ich mich mit dir unterhalte, Onkel Leon.«
»Josh hat mir erzählt, du triffst dich mit einer langweiligen Ladenbesitzerin?«
Harry blieb reglos sitzen. »Hat Josh sie langweilig genannt?«
»Nein, aber ich habe diesen Eindruck. Führt ein Teegeschäft, sagte Josh. Ich kenne diesen Typ. Prüde, zugeknöpft, konservatives Kostüm. Habe ich recht?«
»Nicht ganz«, antwortete Harry leise.
Leon ignorierte ihn. »Verdammt, dein Vater hatte wenigstens den Schneid, mit der Tochter eines reichen Mannes durchzubrennen. Deine Mutter war eine wirkliche Schönheit, und alle Welt weiß, wie reich die Strattons sind. Sie konnten ihm mit ihrem Geld leicht die Hölle heiß machen.«
»So sagt man.«
»Du bist wirklich ein verdammter Narr, diesem Reichtum den Rücken zu kehren.«
»Das habe ich schon öfter gehört.«
Leon blinzelte ihn über die Bierdose an. »Verdammt, der Bestaussehende von uns bist du nicht, aber du trägst den Namen Trevelyan. Ich dachte, du würdest dir etwas Aufregenderes aussuchen als eine graue Maus aus einem Teeladen.«
»Seit wann hegst du dieses auffällige Interesse an meinem Privatleben?«
»Seit ich mir Sorgen um Josh mache.«
Harry wappnete sich. »Was hat mein Privatleben mit Josh zu tun?«
»Das ist einfach.« Leon verzog das Gesicht. »Du übst einen schlechten Einfluß auf den Jungen aus. Immerzu redet er davon, daß er auf der Universität bleiben und irgendeinen tollen Abschluß in Naturwissenschaften machen will. Du heiliger Strohsack, er sagt, er will in die Forschung. Als nächstes legt er sich auch eine kleine Ladenbesitzerin als Freundin zu.«
»Wäre es dir lieber, er käme bei einem Motorradstunt um, während er versucht durch einen Feuerball zu fliegen?«
»Dreckskerl.« Leon schleuderte seine leer Bierdose gegen die Blechwand des Wohnwagens. Dann beugte er sich vor, die geballten Fäuste auf den Knien. »Ich will, daß er ein Mann wird, wie sein Vater einer war. Und wie ich es bin. Er soll kein gottverdammter, überstudierter Versager werden wie du.«
»Wieviel?« fragte Harry tonlos.
»Was soll das heißen?«
»Du weißt, was es heißt. Wieviel willst du als Gegenleistung, damit du Josh die Arbeit im Sommer erläßt?«
»Du denkst, du kannst alles kaufen, wie? Das ist das verdammte Stratton-Blut in dir. Aber ich habe eine Neuigkeit für dich. Wir reden über die Zukunft meines Enkels. Er ist alles, was mir auf dieser Welt geblieben ist. Blut von meinem Blut, die Frucht aus meinen Lenden. Ich will sehen, wie aus ihm ein Mann wird, auf den ich stolz sein kann. Und du glaubst, du könntest ein Preisschild an ihn hängen?«
»Kein Problem.«
Leons Gesicht arbeitete zornig. »Wir reden hier über Familienbande, nicht über Geld.«
»Komm mir nicht mit diesem Unsinn«, entgegnete Harry müde. »Wir wissen beide, daß es nicht um Josh oder seine Zukunft geht. Es geht um ein Geschäft.«
»Hundesohn.«
»Laß es gut sein, Onkel Leon. Ich bin bereit, noch einmal mit dir zu verhandeln. Wieviel willst du?«
Mit finsterem Blick sah Leon ihn einige Sekunden an. Dann ließ er sich in das Sofa zurückfallen und schloß die Augen. »Ich brauche einen neuen Lastwagen. Der alte wird keine Meile mehr fahren. Evangeline hat Jahrmarktsbuchungen für den ganzen Sommer. Ich brauche ein zuverlässiges Transportmittel.«
Harry pfiff leise. »Ein neuer Lastwagen, wie? Gratuliere, Onkel Leon. Du lernst, in großem Stil zu denken.«
Leons Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Wir haben eine Abmachung.«
»Sicher.« Harry stellte seine halbvolle Bierdose auf den Tisch und erhob sich. »Die gleiche wie beim letztenmal.«
»Wie ich schon sagte. Du bist zuverlässig wie der Sonnenaufgang. Du solltest aufpassen, Harry. Eine schlechte Angewohnheit wie diese kann dich in große Schwierigkeiten bringen.«
Harry trat zur Wohnwagentür und sah hinaus auf den grasbewachsenen Parkplatz. »Ich meine, was ich
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