Traeume wie Samt
draußen.«
»Bitte, kommen Sie herein«, murmelte Evangeline in nachdrücklichem Ton. »Ich werde Ihnen nichts sagen, was Sie nicht wissen wollen.«
Molly zögerte. Ihre Neugier war geweckt. Sie wandte sich noch einmal um, konnte Harry aber noch immer nicht in der Menge entdecken. Dann drehte sie sich wieder zu Evangeline. »Es gibt tatsächlich etwas, das Sie mir verraten könnten.«
Evangeline verneigte sich. »Ich stehe zu Ihren Diensten. Kommen Sie herein, und sagen Sie mir, was Sie erfahren möchten.« Glöckchen bimmelten, als sie Molly in den Zeltverschlag schob. Vorsichtig trat Molly durch die wippenden Perlschnüre. Innen herrschte schattige Dunkelheit. Auf dem Boden lag ein mitternachtsblauer Teppich mit gelben Sternen und einem Mond. Von allen vier Zeltwänden fiel in Kaskaden meterweise dunkler, schwerer Stoff. Als Mollys Augen sich an das schwache Licht gewöhnt hatten, erkannte sie einen Tisch, der mit dunkelrotem Samt drapiert war. Eine undurchsichtige, matt leuchtende Glaskugel stand in der Mitte. Daneben lag ein Kartenspiel. Auf einem Gestell daneben befand sich eine flache, mit Wasser gefüllte Silberschale.
»Bitte setzen Sie sich.« Evangeline wies auf einen der zwei Stühle, die an gegenüberliegenden Tischseiten standen. »Ihre Pakete können Sie dort drüben auf den Boden legen, wenn Sie möchten.«
»Danke. Sie werden langsam schwer.« Molly befreite sich von ihrer Last und seufzte leise und erleichtert auf. »Ich hatte keine Ahnung, daß ich so viele nützliche Dinge in den Ausstellungshallen finden würde.«
Evangeline lächelte. »Diese Erfahrung machen viele Menschen.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Molly strich sich das feste, vom Wind zerzauste Haar zurück. »Sie hätten die Menschenmengen sehen sollen, durch die ich mich kämpfen mußte, um meine Einkäufe zu machen. Eine Frau versuchte tatsächlich, mir mein Wondermatic-Allzweckküchengerät aus den Händen zu reißen.«
»Interessant. Aber setzen Sie sich doch.«
»Also gut.« Molly warf einen Blick zum Perlenvorhang zurück. »Aber ich möchte meinen Bekannten nicht verpassen. Er müßte jede Minute kommen.«
»Ich garantiere Ihnen, daß er Sie finden wird.«
»Wenn Sie so sicher sind.« Gehorsam setzte sich Molly auf den Stuhl und betrachtete mit einigem Interesse die Glaskugel und die Karten.
»Dann wollen wir anfangen.« Evangeline legte beide Hände an die Kugel. Ihre mit dickem Maskara geschminkten Augen trafen mit Mollys zusammen. »Sagen Sie mir, was Sie wissen wollen.«
»Nun, wenn Sie mich schon danach fragen, möchte ich gern wissen, wie das alles funktioniert.«
Evangeline stutzte. »Wie was funktioniert?«
»Die Geheimnisse Ihres Handwerks.« Molly beugte sich näher. »Ich habe gehört, daß professionelle Wahrsager sehr gut darin sind, persönliche Dinge über ihre Kunden zu erraten. Wie arbeiten Sie?«
Evangeline machte ein entsetztes Gesicht. »Sie wollen wissen, wie ich es mache?«
»Genau. Ich gebe zu, es ist nicht ganz mein Gebiet, aber ich bin neugierig. Was sind Ihre Anhaltspunkte? Die Kleidung? Ich nehme an, Sie können eine Menge über Menschen sagen, wenn Sie ihre Kleidung sehen. Aber viele Leute tragen heute einheitliche Jeans und Turnschuhe. Was können Sie über solche Menschen sagen?«
Evangelines Gesichtsausdruck erstarrte. »Ich wende keine Tricks an. Ich besitze die Gabe des Zweiten Gesichts. Die Veranlagung dazu liegt in meiner Familie.«
»Hm.«
»Meine Kräfte sind sehr real. Und selbst wenn ich ein Scharlatan wäre und meine Kunden etwas vormachte, würde ich Ihnen mein Geheimnis nicht verraten.«
Molly zog die Nase kraus. »Das habe ich befürchtet. Nun gut, es war einen Versuch wert.«
»Sehen Sie«, murmelte Evangeline. »Ich kann Ihnen alles sagen, was Sie über Ihr Liebesleben zu erfahren wünschen.«
»Das bezweifle ich. Ich habe keines.«
»Nun, das wird sich bald ändern.« Evangeline nahm die Karten und legte eine nach der anderen auf dem Tisch aus. »Ah – sehen Sie den blauen König?«
Molly betrachtete die Karte. »Was ist damit?«
»Er steht für einen Mann, dem Sie vor kurzem begegnet sind. Dieser Mann ist groß. Er hat dunkles Haar, und seine Augen sind goldbraun wie der alte Bernstein an meiner Kette. Es sind die Augen eines mächtigen Mannes. Eines Mannes, der Ihr Schicksal verändern wird.«
Molly lachte. »Aha. Sie kennen Harry Trevelyan. Ich wette, Sie sind seine Tante. Wenn ich mich recht entsinne, erwähnte Josh eine Evangeline Trevelyan. Wie
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