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Traeume wie Samt

Traeume wie Samt

Titel: Traeume wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jayne Ann Krentz
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Miene zusammen. »Harry der Erste war eine Art früher Privatdetektiv. Er klärte Verbrechen auf und fand vermißte Menschen.«
    »Behauptete er, übersinnliche Kräfte zu besitzen?« fragte Molly.
    »Nein«, gab Evangeline zu. »Er hat seine Begabung offensichtlich nicht verstanden. Aus irgendeinem Grund wollte er sie leugnen. Aber die Familienaufzeichnungen belegen, daß er das Zweite Gesicht besaß. Auch er verfügte über ausgezeichnete Reflexe. Das wissen wir, weil es einige faszinierende Geschichten darüber gibt. Durch seine Arbeit bekam er es mit gewalttätigen Menschen zu tun, und seine schnellen Reaktionen retteten sein Leben und das anderer.«
    »Geschichten«, sagte Harry. »Alles erfunden.«
    Molly überhörte ihn. »Ist sonst noch jemand aus Ihrer Familie Privatdetektiv geworden?«
    »Nein«, antwortete Evangeline. »Damit ist kein Geld zu machen. Die Trevelyans haben ihre übersinnliche Begabung für die Bühne genutzt. Als Gedankenleser, tollkühne Draufgänger und Messerwerfer. Kunststücke dieser Art. Jeder Trevelyan seit dem ersten Harry hoffte, das Zweite Gesicht zu besitzen. Einige waren völlig unbegabt. Die Fähigkeit vererbt sich sehr unregelmäßig.«
    Molly warf einen anerkennenden Blick auf Harry. »Dieser Harry besitzt ohne Zweifel gute Reflexe.«
    »Und ich dachte, Sie würden mich für meinen Verstand bewundern«, sagte Harry.
    Evangeline mischte die Karten erneut. »Bei den Trevelyans traten die Reflexe immer mit dem Zweiten Gesicht gemeinsam auf. Je schneller die Hände, desto sicherer die Intuition, sagte Großmutter Gwen immer.« Evangeline sah Harry stirnrunzelnd an. »Und du bist schneller als jeder andere in der Familie, Harry. Es hätte Oma Gwen das Herz gebrochen, wenn sie gewußt hätte, daß du dich weigerst, der Trevelyan-Tradition zu folgen.«
    »Falls Sie es noch nicht gemerkt haben«, sagte Harry zu Molly, »müssen Sie wissen, daß meine ehrwürdige Urgroßmutter – ihre Seele möge in Frieden ruhen – es wirklich verstand, Menschen, die nicht taten, was sie von ihnen verlangte, Schuldgefühle einzuimpfen. Sie war sehr verärgert, als ich beschloß, Philosophie zu studieren. Oma Gwen wollte, daß ich Messerwerfer, Rennfahrer oder tollkühner Artist wurde, der aus großer Höhe in ein kleines Wasserbassin springt.«
    Evangeline legte vorwurfsvoll die Stirn in Falten und sah ihn an. »Du bist nicht fair mit deiner Urgroßmutter, Harry. Nicht dein Wunsch, an der Universität zu studieren, hat sie ärgerlich gemacht, sondern die Weigerung, deine übersinnlichen Fähigkeiten anzuerkennen. Sie war überzeugt, daß du der erste Trevelyan bist, der diese Begabung seit unserem Urahnen Harry dem Ersten vollständig geerbt hat.«
    »Klingt ähnlich wie beim Erfindertalent der Abberwicks«, überlegte Molly. »Diese Gabe überspringt ebenfalls. Meine Schwester besitzt sie, ich dagegen nicht.«
    Harry warf Molly einen seltsamen Blick zu. »Da bin ich mir nicht so sicher. Ihre Energie wurde in den Aufbau einer Existenz gelenkt, damit Ihre Familie ein sicheres Einkornmen hatte. Aber ich glaube, daß erfolgreiche Unternehmensleitung ebenfalls eine Art Erfindergeist voraussetzt. Die meisten Menschen versagen darin. Sie nicht.«
    Molly war verblüfft über das unerwartete Kompliment und wußte nicht, was sie antworten sollte. Sie sah Harry an, obwohl sie das Glühen in ihrem Gesicht spürte. Harry zeigte sein tiefes, geheimnisvolles Lächeln, und die Wärme sank in Mollys Körper hinab.
    Evangeline beobachtete beide mit wissendem Blick. »Ich glaube, es ist genug über das Zweite Gesicht der Trevelyans gesprochen worden. Wie lief die Unterhaltung mit deinem Onkel, Harry? Ich weiß, daß Leon schon den ganzen Sommer Druck auf Josh ausübt.«
    »Onkel Leon ist immer noch der alte«, sagte Harry. »Aber wir haben wieder ein kleines Abkommen geschlossen. Er wird sich zurückhalten. Wenigstens eine Zeitlang.«
    Molly gewahrte die Eiseskälte in seinen Worten. Ein Schauer durchlief sie, und die sinnliche Wärme verschwand.
    Evangeline schien die düstere Kälte in Harrys Worten entgangen zu sein, denn sie blinzelte Molly zu. »Harry versteht es, mit Leon umzugehen wie sonst niemand in der Familie. Aus irgendeinem Grund hört Leon auf ihn.«
    Molly lächelte. »Vielleicht besitzt Harry wirklich übersinnliche Fähigkeiten.« Sie hob in gespielter Drohung die Hände. »Sie verstehen schon. Die Fähigkeit, anderen Menschen die Sinne zu vernebeln.«
    Harry warf ihr einen verächtlichen Blick

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