Traeume wie Samt
Verkäufertricks und Verlockungen in den Ausstellungshallen gewarnt.«
»Müssen Sie so negativ eingestellt sein?« entgegnete Molly. »Nicht jeder ist ein Betrüger, verstehen Sie?«
Harry lächelte kühl. »Ich bin nicht negativ eingestellt, sondern realistisch.«
»Für mich ist das dasselbe. Und zu Ihrer Information, ich habe mich nicht von den Verkäufern einwickeln lassen«, sagte Molly. »Mir gefielen die Sachen, und deshalb habe ich ein paar gekauft.«
»Diese dubiosen Marktschreier verkaufen nichts als wertlosen Schund. Das weiß jeder.«
»Pah. Immerhin gibt es eine unbegrenzte Garantie auf die Geräte«, trumpfte Molly auf.
»Tatsächlich? Und wie wollen Sie die einlösen?« fragte Harry. »Wenn der Jahrmarkt beendet ist, sind die Produktvorführer verschwunden. Und mit ihnen die Garantie.«
Molly hob die Augen zum Himmel. »Wissen Sie, was Ihr Problem ist, Harry? Sie denken, die ganze Welt ist nur auf Schwindel und Betrug aus.«
Evangeline sah Harry an. »Ihr beide kennt euch ziemlich gut, nehme ich an?«
»Ich kenne Harry besser, als er denkt«, sagte Molly düster.
»Wir kennen uns seit einem Monat«, informierte Harry seine Tante. »Molly muß noch viel lernen.«
Evangeline schmunzelte. »Als die begabte Seherin, die ich bin, weiß ich natürlich, wer Molly ist. Aber warum stellst du uns nicht richtig vor?«
»Oh, tut mir leid«, entschuldigte sich Harry. »Evangeline, das ist Molly Abberwick. Molly, das ist Evangeline Trevelyan. Eine meiner Tanten. Die beste Wahrsagerin der ganzen Familie.«
»Nett, Sie kennenzulernen«, sagte Molly.
»Das Vergnügen ist auf meiner Seite.« Evangeline setzte sich hinter ihren Tisch zurück, nahm die Karten und mischte sie neu. »Laßt mich sehen. Wo waren wir?«
»Du sagtest ihr, daß ich groß, dunkelhaarig und häßlich bin, glaube ich.« Harry schob ein schweres Stück Vorhang an der hinteren Zeltseite weg und zog einen Klappstuhl aus dem Dunkel dahinter.
»Eigentlich wollte ich wissen, wie eine Wahrsagerin diese genauen Aussagen über ihre Kunden machen kann«, erklärte Molly. »Mir ist klar, daß manche Kundenwünsche sehr ähnlich sind. Die meisten wollen hören, daß sie zu Geld kommen oder ihre wahre Liebe finden. Und ich nehme an, es ist nie falsch, den Menschen zu sagen, daß sie eine Reise unternehmen werden, denn beinahe jeder verreist hin und wieder.«
Evangeline lächelte gequält. »Deine Bekannte ist ein Naturtalent, Harry.«
»Was soll ich dazu sagen?« Harry durchquerte das Zelt mit dem Stuhl in der Hand. »Sie ist klug. Von Marktschreiern verführbar, aber im Grunde sehr gescheit.«
»Solche Schmeicheleien werden Ihnen nichts nützen.« Molly wandte sich wieder an Evangeline. »Ich möchte wissen, was eine Wahrsagerin oder Hellseherin tut, nachdem sie die offensichtlicheren Dinge festgestellt hat. Wie gehen Sie auf die ganz persönlichen Ereignisse in der Zukunft eines Menschen ein?«
»Sie besitzt auch eine ausgeprägt neugierige Natur.« Harry trat neben den Tisch, klappte den Stuhl auf, ließ sich rittlings darauf nieder und schlang die Arme um die Lehne. »Liegt angeblich in ihrer Familie.«
»Interessant«, murmelte Evangeline. »Nun, meine Liebe, ich fürchte, was das Wahrsagen angeht, kann ich Ihre Neugier nicht befriedigen. Wie soll ich es Ihnen erklären? Geheimnisse gibt es keine. Es ist einfach eine Gabe.«
»Sprechen Sie über das Zweite Gesicht der Trevelyans?« wollte Molly wissen.
»Nein«, antwortete Harry kühl. »Das tut sie nicht. Weil so etwas nicht existiert.«
Evangeline hob mißbilligend die Brauen. »Du solltest etwas mehr Respekt davor haben, Harry. Schließlich besitzt du mehr davon als jeder andere in der Familie.«
»Das ist blanker Unsinn.«
Molly betrachtete Evangeline nachdenklich. »Wenn Sie mir schon die Tricks Ihres Berufes nicht verraten, können Sie mir vielleicht mehr über das Zweite Gesicht erzählen.«
»Zum Teufel«, murmelte Harry.
»Es wird in der Familie vererbt«, erklärte Evangeline sanft. »Harry will es nicht zugeben, aber er besitzt es. Er hat einige Sommer mit uns verbracht, und seit er zwölf war, habe ich einige beeindruckende Beweise für seine Fähigkeiten gesehen. Natürlich verfügt er auch über die Reflexe. Die wenigstens kann er nicht leugnen. Sie sind das direkte Erbe des ersten Harry Trevelyan.«
»Harry sagte mir, daß seine Urahnen aus dem frühen achtzehnten Jahrhundert stammen«, sagte Molly.
»Das stimmt.« Evangeline schob die Karten mit nachdenklicher
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