Traeume wie Samt
zu.
»Wie kommen Sie darauf, daß er diese Kräfte tatsächlich besitzen könnte?« fragte Evangeline mit überraschender Eindringlichkeit.
Molly lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und schob die Hände in die Taschen ihrer Jeans. »Mir scheint, daß Harry seine Zukunft verändert hat. Und die von Josh. Dahinter muß eine besondere Fähigkeit stecken. Wie viele Menschen gibt es schon, die ihr eigenes Schicksal und das anderer gestalten können?«
Harry starrte sie an.
Evangeline warf ihm einen Seitenblick zu. »Du mußt wissen, daß ich an etwas ähnliches gedacht habe. Sie könnte recht haben, Harry.«
»Die einzige Macht, die ich über meine Zukunft und die von Josh besaß, beruhte auf gesundem Menschenverstand«, erklärte Harry.
Molly lächelte. »Egal. Auf jeden Fall ist dieses Thema sehr viel interessanter als irgendein Hokuspokus.« Sie staunte, als sich in Harrys Gesicht eine leichte Röte ausbreitete.
»Nun, denn.« Evangelines Mund bog sich zu einem wissenden Lächeln. »Lassen Sie uns nachsehen, wie ihr zukünftiges Liebesleben aussehen wird, Molly.«
»Das können Sie vergessen«, riet Molly ihr ab.
Evangeline ignorierte sie. Sie hob die oberste Karte ab und deckte sie auf. »Aha. Wieder der blaue König. Wie es scheint, will er nicht verschwinden. Wenn er zweimal hintereinander erscheint, muß man aufpassen. Das bedeutet, daß Ihr Liebesleben sehr interessant zu werden verspricht.«
»Zufall. Oder Sie haben sehr geschickt gemischt.« Molly stand auf. »Ich sagte Ihnen bereits, daß ich mir die Zukunft nicht vorhersagen lassen will.« Sie streckte die Hand aus und griff nach den Karten.
»Feigling«, murmelte Evangeline.
»Nein.« Harry erhob sich lachend. »Sie ist klug.«
»Danke«, antwortete Molly spröde.
Evangeline breitete die Hände aus. »Also gut, ich gebe auf. Wenn Molly nichts über ihr Liebesleben erfahren will, ist das ihre Entscheidung. Harry, wann willst du nach Seattle zurückfahren?«
»Das hat keine Eile.« Harry sah auf die Armbanduhr. »Ich wollte Cousin Raleigh und seine Frau begrüßen und einige andere Familienmitglieder.«
»Raleigh arbeitet am Riesenrad.« Nachdenklich ließ Evangeline die Karten durch die Hände gleiten. »Ein Wort im voraus. Er will sich Geld leihen. Sheila und er bekommen ein Baby.«
»Ich bin gewarnt. Kommen Sie mit, Molly. Ich stelle Ihnen noch einige Familienmitglieder vor.«
»In Ordnung.« Molly sah Evangeline an. »Ich hoffe, wir sehen uns einmal wieder.«
»Etwas sagt mir, daß das geschehen wird«, antwortete Evangeline in heiterer Zuversicht.
Harry half Molly, die Pakete hochzunehmen. »Paß gut auf dich auf, Tante Eve.«
»Das werde ich.« Sie lächelte ihm zu. »Und du auch. Übrigens rufe ich dich in der nächsten Woche an. Ich möchte mit dir über die Videoarkade sprechen. Sie ist eine unserer wichtigsten Attraktionen, und du weißt, wie schnell diese Spiele aus der Mode kommen.«
Etwas Undefinierbares – vielleicht Resignation oder sogar Schmerz – trat in Harrys Blick. Es verschwand sofort wieder und machte einem kühlen, verschlossenen Ausdruck Platz. Molly hätte ihn am liebsten umarmt. Sie wollte Trost spenden, ohne zu wissen, weshalb.
»Du weiß, wo du mich erreichst, Tante Eve.«
Molly blieb neben dem Tisch stehen. »Und Sie wollen mir wirklich nicht verraten, wie Sie den blauen König zweimal hintereinander hervorgezaubert haben, Evangeline?«
»Ein Berufsgeheimnis wird Tante Eve niemals preisgeben.« Harry nahm die Karten und mischte sie mit geübter Eleganz neu. »Ich dagegen besitze überhaupt kein Berufsethos, wenn es um Dinge wie diese geht. Hier, ich werde Ihnen zeigen, wie man eine bestimmte Karte immer wieder zieht.«
»Nein, das wirst du nicht tun.« Evangeline entriß ihm das Kartenspiel und legte es auf den Tisch zurück. »Nicht mit meinen Karten. Ab mit dir, Harry. Du hattest noch nie den geringsten Respekt vor diesem Beruf.«
»Das stimmt, den hatte ich wirklich nicht«, gab Harry ihr recht.
»Du hast sie durcheinandergebracht«, grollte Evangeline, als sie die Karten aufnahm. »Ich werde das Spiel völlig neu ordnen müssen.«
Molly betrachtete den Stapel. »Bedeutet das, daß der blaue König jetzt nicht mehr oben liegt?«
»Richtig«, sagte Harry. »Ich habe die Karten auf ganz altmodische Weise gemischt. Wenn der blaue König jetzt oben liegt, wäre es reiner Zufall, und die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen.« Er legte die erste Karte offen. Es war erneut der König, aber nicht der
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