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Traeume wie Samt

Traeume wie Samt

Titel: Traeume wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jayne Ann Krentz
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der angeblichen Wahrsager und tollkühnen Artisten.«
    Harry entspannte sich etwas. Er stützte die Arme auf das Autodach. »Darin könnten Sie recht haben. Aber ich verrate Ihnen ein kleines Geheimnis.«
    »Welches?«
    »Wenn Sie glauben, daß ich immer nur dann grüble, wenn das Zweite Gesicht der Trevelyans zur Sprache kommt, sollten Sie mich einmal sehen, wenn meine Stratton-Verwandtschaft mich als Versager bezeichnet und mir vorwirft, nicht in der vierten Generation die Familientradition weiterzuführen und in der Welt der Finanzen und Immobilien zu arbeiten. Der wirklichen Welt, in der richtige Männer Haie, Wölfe und andere Raubtiere sind und ihren Wert am Umfang ihrer Aktienpakete messen.«
    Molly fuhr erstaunt zusammen. Dann lachte sie leise. »Wie furchtbar. Ich nehme an, Sie haben sich keine Mühe gegeben, der einen oder anderen Seite zu gefallen?«
    »Nein.« Harry war fasziniert von der Belustigung, die in ihren grünen Augen blitzte. Die letzten, geisterhaften Überreste seiner düsteren Stimmung verschwanden. Er lächelte. »Die Strattons besitzen genausowenig Respekt vor der akademischen Welt wie die Trevelyans. Beide Familien glauben, daß ich ein verweichlichtes Leben im Elfenbeinturm gewählt und mich bedeutungslosen akademischen Studien gewidmet habe, weil ich sie damit treffen will. Die Tatsache, daß ich viel Geld damit verdiene, ärgert sie noch mehr.«
    »Wir haben alle unsere geheimen Motivationen. Was wäre, wenn Sie dieses überwältigende Bedürfnis, Ihre Verwandten zu ärgern, tatsächlich gebraucht hätten, um eine führende Autorität auf dem Gebiet der Geschichte der Naturwissenschaften zu werden?«
    »Insgesamt betrachtet sind die Klagen der Strattons über meine Berufswahl nicht schlimmer als die der Trevelyans«, sagte Harry. »Onkel Leon treibt seine Vorwürfe noch einen Schritt weiter. Er sorgt sich um die genetischen Folgen.«
    »Die genetischen Folgen?«
    Harry lächelte flüchtig. »Er ist überzeugt, daß mein Stratton-Blut mich zeugungsunfähig gemacht hat. Er glaubt, ich bin dadurch zu einem zimperlichen Waschlappen geworden.«
    »Du liebe Güte. Kein Wunder, daß Sie auf dem Rückweg der Trübsinn überfallen hat. Haben Sie Ihr ganzes Leben zwischen den Strattons und Trevelyans vermittelt?«
    »Ja.« Harry hob eine Hand, um Molly zuvorzukommen. »Fragen Sie mich nicht, warum es mir wichtig ist.«
    »Das muß ich gar nicht. Keiner von uns kann sich seine Verwandtschaft aussuchen.«
    Harry griff in das Wageninnere, um Mollys Einkäufe herauszunehmen. »Ich packe Ihre Sachen in den Kofferraum, dann können wir essen gehen.« Nach dem Essen würde er schon einen Weg finden, Molly zu überzeugen, mit ihm in die Wohnung zu kommen und die Nacht dort zu verbringen, überlegte Harry, während er den Kofferraum öffnete. Er mußte es schaffen, denn heute abend begehrte er sie mehr als je zuvor. Das Verlangen in ihm hatte sich in qualvoll nagenden Hunger verwandelt. Wenn er Molly heute nacht in seinem Bett neben sich hätte, würde er vielleicht nicht wach liegen und über Evangelines roten König nachgrübeln. Er haßte Ereignisse wie dieses. Entschlossen, seine Pläne für den Abend in Angriff zu nehmen, geleitete Harry Molly in den Aufzug und drückte den Knopf für die Eingangshalle.
    Einen Augenblick später öffneten sich die Türen und gaben den Blick in das Foyer frei. Harry bemerkte seine Exverlobte Olivia, die rastlos vor der Portiersloge umherwanderte. »Verdammt«, sagte er leise. Diese Situation war der offensichtliche Beweis, daß es ihm an jeder hellseherischen Fähigkeit fehlte, überlegte er grimmig. Wenn er wirklich etwas von dem übersinnlichen Talent der Trevelyans geerbt hätte, hätte er eine Vorahnung gehabt, daß auf dem Weg nach oben Ärger auf ihn wartete.
    Als Olivia ihn entdeckte, blieb sie stehen. Ihre Finger schlossen sich fest um den Riemen der teuren braungrauen Schultertasche. »Harry.«
    Harry betrachtete seine Exverlobte mit Unbehagen. Olivia war tadellos gekleidet wie immer. Ihre Neigung zum Perfektionismus war eine der Eigenschaften gewesen, die er zu Beginn ihrer Beziehung bewundert hatte. Perfektionismus bedeutete Selbstkontrolle. Und das ließ darauf schließen, daß sie eine Frau war, die auf Probleme Antworten kannte. Heute trug sie eine cremefarbene Seidenbluse und eine weichfallende rostfarbene Hose, kombiniert mit einer leichten Seidenjacke in Beige. Ihr goldblondes Haar war zu einem eleganten Knoten am Hinterkopf geschlungen. Das schöne

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