Traeumen Roboter von elektrischen Schafen?
konnte das Einssein begreifen, das die Anhänger des Mercerismus regelmäßig erlebten - eine seelische Erfahrung, die ihm und praktisch jedem anderen Menschen nie irgendwelche Schwierigkeiten bereitete.
Wie die meisten anderen Menschen auch, hatte er sich manchmal darüber Gedanken gemacht, was wohl der Grund sein mochte, aus dem ein Androide völlig hilflos wurde, sobald man ihn einem Empathie-Test, einer Messung seiner Gefühle, aussetzte. Emphatische Gefühle existierten offenbar nur in der menschlichen Rasse, während man Intelligenz bis zu einem gewissen Grad bei jeder Art und jedem Stamm von Lebewesen bis hinunter zu den Spinnen antraf. Gefühle schienen zunächst einen uneingeschränkten Gruppensinn vorauszusetzen; für einen Einsiedler wie eine Spinne hätten sie gar keinen Sinn; Gefühle würden im Gegenteil die Überlebensfähigkeit der Spinne beeinträchtigen. Sie würde sich dann des Lebenswillens ihrer Beute bewußt. Daher müßten alle Raubtiere bis hinauf zu so hochentwickelten Säugetieren wie Katzen schließlich verhungern. Empathische Gefühle beschränkten sich demnach auf Pflanzenfresser oder zumindest auf Allesfresser, die notfalls von ihrer Fleischkost abweichen können. Letztlich verwischten die Gefühlsregungen nämlich die Grenzen zwischen Jäger und Gejagtem, zwischen Sieger und Besiegtem.
Beim Einswerden mit Mercer beispielsweise erlebten alle gemeinsam den Aufstieg und fielen, wenn der Zyklus vollendet war, alle gemeinsam hinab in die Gruft der Unterwelt. Seltsamerweise war das eine Art von zweischneidiger biologischer Lebensversicherung. Solange ein Geschöpf Freude empfand, war für alle anderen Geschöpfe die Voraussetzung für einen Anteil an dieser Freude gegeben. Wenn jedoch ein Lebewesen litt, konnten auch alle anderen den Schatten nie ganz abstreifen. Ein Herdentier wie der Mensch sicherte sich dadurch einen höheren Überlebensfaktor. Eine Eule oder eine Kobra würde dadurch vernichtet.
Der humanoide Roboter stellte infolgedessen anscheinend ein einsiedlerisches Raubtier dar.
So stellte sich Rick gern die Androiden vor. Seine Arbeit wurde dadurch erträglicher. Wenn er einen Andy erledigte, verletzte er nicht die von Mercer aufgestellte Lebensregel. Du sollst nur die Mörder töten! hatte Mercer in dem Jahr geboten, wo auf der Erde zum erstenmal die Gefühlskästen auftauchten. Je mehr der Mercerismus zu einer ausgewachsenen Theologie wurde, um so bedeutsamer wurde, ohne daß es jemand merkte, der Begriff des Mörders. Im Mercerismus war es das absolut Böse, das den alten Mann am Aufstieg hindern wollte, aber es kam nie klar zum Ausdruck, wer oder was dieses Böse eigentlich war. Ein Mercerite spürt das Böse, ohne es zu begreifen. Oder anders ausgedrückt: ein Mercerite durfte die Gegenwart der Mörder, so nebelhaft sie auch sein mochte, nach Belieben lokalisieren.
Für Rick Deckard war ein entsprungener Androide, der seinen Herrn getötet hatte, der über eine größere Intelligenz als viele menschliche Wesen verfügte, der keine Tierliebe empfand, der nicht die Fähigkeit empfand, empathische Freude für das Glück einer anderen Lebensform oder Trauer bei deren Unglück zu empfinden, die Verkörperung des Mörders.
Beim Gedanken an Tiere wurde er an den Reiher erinnert, den er in der Tierhandlung gesehen hatte. Er legte vorläufig die Beschreibung des Denkmechanismus von Nexus-6 beiseite, nahm eine Nase voll von Mrs. Siddons Nr. 3 & 4 und überlegte. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, daß er noch Zeit hatte. Er griff nach dem Videophon auf seinem Schreibtisch und sagte zu Miß Marsten: “Verbinden Sie mich mit der >Tierhandlung Glücklicher Hund< in der Sutter Street.”
“Sofort, Sir”, antwortete Miß Marstens und schlug ihr Teilnehmerverzeichnis auf.
Soviel können sie für einen Reiher eigentlich nicht verlangen, dachte Rick. Sicher erwarten sie, daß man den Preis herunterhandelt wie in den alten Tagen bei gebrauchten Automobilen.
“Hier spricht die >Tierhandlung Glücklicher Hund<”, verkündete eine Stimme. Auf Ricks Videoschirm erschien ein glückliches Gesicht. Im Hintergrund hörte man Hunde bellen.
“Es geht um den Reiher, den Sie im Schaufenster haben”, sagte Rick und spielte mit dem Keramikascher auf seinem Schreibtisch. “Welche Anzahlung müßte ich dafür leisten?”
“Augenblick”, sagte der Verkäufer und griff nach Papier und Stift. “Ein Drittel.” Er rechnete. “Darf ich fragen, Sir, ob Sie etwas in Zahlung geben wollen?”
Rick
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