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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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passiert? Vorher Triaden und Kolonialherren, Kung-Fu-Filme und ein Riesenmarkt direkt vor der Tür, nachher das Gleiche nur mit Geldern und Herren aus der Volksarmee. Goebbels in Uniform, Reichsmeister der Ufa, na und? Die Chinesen sind keine Nazis, dazu sind die viel zu durchtrieben, aber das ist jetzt bitte
off the record
, der Geschäftssinn, der ist das Entscheidende. Und der Geschmack? Sie glauben doch nicht,
Tiger and Dragon
oder damals John Woo wärenirgendetwas anderes als unser Mainstream? Sie glauben doch nicht etwa, der Mainstream sei das Gegenteil von Kunst? Der Mainstream ist die Kunst! Hören Sie, wir befinden uns im Krieg, seit Jahrzehnten schon. Es geht nicht nur um Marktanteile, es geht um die Inhalte, um die Köpfe. Die Bilder, die Art von Geschichten, wie wir sie erzählt bekommen wollen. Seien Sie nicht naiv. Hollywood hat sich an China bisher die Zähne ausgebissen. Autoritärer Protektionismus. Die Herren Kommunisten haben ihre eigene Vorstellung davon, welche Geschichten zu erzählen sind. Und wie. Herausgekommen ist dabei bislang, bei allem Respekt, nichts. Reines Binnenmarktprodukt, das chinesische Kino, mit ein paar staatlich vermarkteten Ausnahmen. Und Hongkong, das ist so geblieben, Hongkong produziert und exportiert bis heute mehr Filme als ganz Festlandchina. Und die Herren in Peking investieren weiter, auch in den angeblichen Feind in Taiwan. In China eröffnet jeden Tag ein neues Kino, Multiplexe überall, aber Filme haben sie nicht genug! Die können mit dem Bedürfnis nach Unterhaltung gar nicht Schritt halten. Das geht eben nicht, Inhaltskontrolle. Internetsperrung. Uns haben sie rausgehalten, dachten sie. Nur zehn Hollywood-Blockbuster dürfen im Jahr gezeigt werden. Aber halten Sie sich fest: Diese zehn Filme spielen fast 50 Prozent der Einnahmen an den Kinokassen ein. Faszinierend, nicht? Das Geld geht in die Studios und an die Produzenten, die clever genug waren, auf die richtigen zehn Pferde zu setzen.
    Und da waren wir – wir sind ja nicht Sony, eher Lionsgate – auch mal dabei.
    Aber Spaß beiseite. Diese Riesenexpansionen sind nichts für mich, ich glaube an Europa. Was ja nicht heißt, dass ich meine Kontakte nicht spielen lasse. Die Chinesen sind keine guten Investoren, bis jetzt. Jedenfalls nicht im Kreativbereich. Die haben zu viel Angst, dass ihnen da etwaszum Erfolg gerät, was sie gar nicht kontrollieren können. Sex, Gewalt, Lebensart. Da haben sie noch eine Rechnung mit dem Westen offen, denken sie. Na, ich fliege im November nach Hongkong, mal sehen. Vielleicht ändert sich da ja was. Der Markt ist ja weiterhin interessant. Und das Know-how dort und in Singapur – qualifiziertes Personal, Studios für die Produktion und die digitale Nachbearbeitung, die Agenturen, obwohl meistens Ableger aus Los Angeles, New York oder Miami, die ganze Infrastruktur – ist beachtlich.
    Aber sehen Sie – weder China noch Indien, noch die arabischen Staaten mit ihrem Begehren nach eigener Softpower haben bisher irgendetwas außerhalb unseres Netzes bewirkt. Abschirmung führt zum Verkümmern, die Modelle der Filme bleiben traditionell europäisch, amerikanisch. Wenn dann mal zwischendurch so ein langsamer mongolischer oder iranischer Besinnungsfilm zu einem größeren Publikum durchdringt, dann hat das Gründe: Weil einer von uns die Vermarktungsrechte erwirbt. Weil einer von uns dafür den notwendigen weltweiten Lärm macht. So. In der Hinsicht wird sich nichts ändern. Und wenn Sie nach Werten fragen: Glauben Sie wirklich, dass sich das so voneinander unterscheidet? Fragen Sie doch mal in den Golf-Staaten. Die Multimediakonzerne mit dem Scheichgeld. Al Dschasira, Rotana, MBC, ART und wie sie alle heißen. Sie suchen nach einem eigenständigen panarabischen Profil? Ausgerufen wird der große Kampf der Kulturen gegen den dekadenten Westen! Und wenn Sie dann fragen, was denn die muslimischen Werte sind, die sie ins Feld führen: Familie, religiöse Toleranz, Ablehnung von Gewalt und – mit dem geheimen Kribbel, der uns ja alle auszeichnet – Sex. Disneywerte! Ja! Der gute Walt hätte die mit wundervollen Filmen versorgt. Versorgung mit verschleierten Bambis. Zyklen des Lebens.
Hakuna Matata
. Die ewig gleiche Welt.Sehen Sie, jetzt haben Sie mich wieder richtig in Fahrt gebracht.»
    Der Interviewer stöhnte leise. Ihm war kalt. Er musste sich hinlegen. Ihm fiel ein, dass er schon

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