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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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solle, er habe ja alles im Kasten gehabt, die ganze geheime Geschichte des Mannes und seine Besessenheit von dem neuen Film, diesem biografisch unterfütterten Machwerk aus moralischer Ambition und grellem Kommerz. Aber niemand nahm den Koffer mit. Zu Hause wusch er sich, steckte den Leinenanzug und das dreckige Hemd in einen Wäschesack, entschied sich dann doch noch, ein Bad zu nehmen, und rief währenddessen in der Redaktion an. Niemand war im Chefbüro. Aber der Anrufbeantworter lief, und so konnte er seine Stimme – er war krank,seine Nase hatte zu laufen begonnen, er fröstelte wirklich, das Fliegen mit seiner Kunstluft hatte ihm nie gutgetan – wirklich mit gutem Gewissen und der ihm schon seit seiner Schulzeit zur Verfügung stehenden Theatralik auf der Maschine hinterlassen.
    Am nächsten Morgen weckte ihn ein Fahrradkurier, der den Auftrag hatte, sein Gerät mit der Aufnahme abzuholen. Seinen Einwand, er habe noch keine Gelegenheit gehabt, das Ganze auf seinen Laptop zu überspielen, quittierte der Kurier mit einem Achselzucken und dem Hinweis, wenn er es ihm nicht mitgeben wolle, müsse er in der Redaktion anrufen, er habe schließlich nicht den ganzen Tag Zeit und diese Fahrt hier koste den Auftraggeber ja auch schon keinen Pappenstiel, er solle das klären. Hilflos hatte er dem Kurier daraufhin die Tasche mit dem Gerät gegeben, das Mikrofon, die zwei Back-up-Sticks, alles. «Das war’s dann also», hatte sich der Kurier verabschiedet und war die feine Marmortreppe wieder heruntergeklackt, ein höhnischer Gruß aus dem Off, wie eine Ansage, dass er sich von nun an auf andere Wohnungen, Gagen, Gehälter, Behandlungen würde einstellen müssen.
    München war eine teure Stadt. Man spielte sich Erfolge hier vor, und nur solange man das konnte, hatte man Aussicht, auch wirklich welche zu erreichen.
    Der Interviewer zurrte den Gürtel seines Bademantels fest, er hätte in Cannes bleiben sollen, Heloisa ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Als er ins Hotel
Angleterre
zurückgekommen war, mit Müh und Not und einigen Zwischenstopps in Cafés und am Straßenrand, hatte er so sehr gezittert, dass er Heloisa gar keinen richtigen Abschiedsbrief hatte schreiben können. Er blieb bei «It was wonderful – but I have to go back to Munich». Und er hatte ein «Love» hinzugesetzt. Am Flughafen, als es ihm schon etwas bessergegangen war, versuchte er sie anzurufen, aber sie hatte das Handy ausgeschaltet. Ein großer Besprecher von Mailboxen war er nie gewesen. Also schickte er noch eine kurze SMS. Sie hatte sich nicht gemeldet. Er ging in die Küche, kochte sich ein Ei, rauchte und zog sich dann mit dem restlichen Bowmore und seinem Laptop ins Bett zurück.
    Als sein Telefon klingelte, war es Nachmittag. Er starrte auf den Bildschirm neben sich, wo die Pornoseite, einmal durchgelaufen, ihm ihr «Play-it-again» anbot oder weitere «related Features»,
Bang Brothers 3
,
White cuckold heaven
oder schlicht
Black Cum on her face
. Er klappte den Computer zu, setze sich auf, fuhr sich mit der Zunge im Mund herum, pelzig, wie eine Muschi, er kicherte, streckte den Arm zum Hörer aus und wurde durch die Bewegung gleich von einer Welle aus Kopfschmerz und Schwindel wie ans andere Ende der Leitung getragen. Die Sekretärin bestellte ihn – sofort – in die Redaktion. Enden sahen meistens blöde aus. Nachdem er gekotzt, sich den Mund ausgespült, schnell geduscht, sich die Haare gegelt und lange vor dem Schrank gestanden hatte, um auszuwählen, in was für einem Anzug er vor die Inquisition treten wollte, entschied er sich schließlich für
casual
, Stiefel, Jeans und Lederjacke, schließlich war es jetzt auch egal, was für einen Eindruck er auf die Oberen machte, jetzt, wo sie nicht mehr seine Oberen waren, wo er bald überhaupt nicht mehr mit den Oberen in der Medienbranche verkehren würde. Ein hohler Traum war es diese letzten Jahre gewesen, dachte er, nicht mal ein Spürchen, das er hinterlassen hatte. Dann beruhigte er sich wieder. Selbst wenn es rumging, dass er es mit dem Exklusiv über den Produzenten nicht geschafft hatte, er war immer noch er, hatte einige Jahre Erfahrung und x gute Artikel auf dem Buckel, dann würde er halt wieder kleiner anfangen, kleiner, aber feiner. Er druckte die Spesenabrechung aus, nahm die aufgeklebten Belege mit,stopfte sie in die lederne Umhängetasche, die er

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