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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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seit einer halben Stunde nicht mehr kontrolliert hatte, ob das Gerät noch aufnahm. Er schob sich nach vorne und sah nach. Es nahm auf. Die Aussteuerung war perfekt. Nur würde das alles nichts nützen, bei dem, was der alte Mann ihm erzählte, spielte es keine Rolle, ob er aufnahm oder nicht. Das Gespräch war gelaufen. Ohne ihn. Er war nur ein Spiegel, ein Ohr, ein Ding, das zufällig da war, dem der alte Mann seine Thesen von der Welt an den Kopf knallte.
    Â«Vielleicht haben Sie recht, wenn Sie das alles als Tex-Mex-Kultur verabscheuen. Aber Hollywood funktioniert so. Man nimmt sich aus jeder Kultur das Beste, kocht es ab, würzt es ein bisschen anders, weniger scharf, weniger gefährlich und nutzt den Exotikbonus des Neuen solange aus, bis der Gaul abgeritten ist. Funktioniert mit Asien,
Godzilla, Kung Fu Panda, Kill Bill, Departed
, genau wie es mit jeder anderen Kultur funktionieren wird. Adaption, das ist so ein Stichwort, aber die Sache geht noch viel tiefer. Doch lassen Sie uns aufhören, über diese Dinge zu sprechen. Nach einer Weile kriegt man davon so einen schimmeligen Geschmack im Mund, als hätte man sich die Zähne tagelang nicht geputzt. Ich habe Durst, brauche Wasser, könnten Sie vielleicht …?»
    Aber noch bevor der Interviewer hätte aufstehen können, zur Kredenz gehen und die Flasche Perrier öffnen, die dort stand, kam der Hüne ins Zimmer.
    Â«Ralph, ach, da bist du ja. Unser Freund wird gleich gehen. Gibst du ihm sein Paket?»
    Der Blonde reichte dem Interviewer ein Paket, eine schwere Box, in der es klirrte. Kaviar und Champagner, Foie gras und Sauternes? Dem Interviewer stieß es wieder sauer auf.
    Â«Nur eine kleine Aufmerksamkeit. Wissen Sie, ich muss mich jetzt wirklich um diesen Abend kümmern, das verstehen Sie doch? Ich würde gern etwas länger mit Ihnen plaudern. Aber wir müssen uns noch anziehen, und ich bin mit Kirsten verabredet, Kirsten Dunst, ja, die braucht Trost, schließlich saß sie neben Lars auf der Pressekonferenz und konnte nichts machen, als der seine Nazi-Scheiße laberte. War ein ganz schöner Schock für sie. Und was glauben Sie, wie die Presse mit ihr umgehen wird? Dabei kann Sie doch wirklich nichts dafür.»
    Der Interviewer hatte das Paket neben sich auf die Couch gelegt, nickte und begann die Tasche unter dem Beistelltisch mit einer Hand hervorzukramen, damit er das Aufnahmegerät und das Doppelmikrofon gleich darin verstauen konnte.
    Â«Und wie die jetzt umlagert wird. Abgeschossen, und sie muss sich die Mundwinkel am besten festtackern, damit sie die auch ja nicht runterzieht, damit sie auch ja nicht
nicht
lächelt, damit ihr Gesicht morgen in den Zeitungen nicht dem von Angela Merkel gleicht, die sieht ja immer so aus wie eine Bulldogge in der Menopause, und alles könnte dann zur Illustration dienen, mit Schlagzeile:
Dunst is not amused!
Ist sie natürlich nicht! Ich werde sie trösten, wir haben mit ihr vielleicht noch was vor.
    Paparazzi! Ach hören Sie auf, normalerweise ist das ein knallharter Vertrag. Du knipst mich, du knipst mich nicht. Du knipst mich erst, wenn ich das Pfund wieder runter hab. Aber das ist es ja gar nicht, die ganze
InStyle-
,
InTouch-
,
InWasweißich-
,
Bravo-
,
Bunte-
,
Blümchen-
Scheiße.
    Gehen Sie doch einfach mal in eine normale Wartehalle im Flughafen, oder fahren Sie Bahn. Wissen Sie, wovon die iPads, Smartphones, Computerbildschirme der weiblichen Reisenden voll sind? Süße, kleine, knuddelige Kinder! Gerade entbunden: Rundmail, erste Warze? Rundmail, dritter Geburtstag? Rundmail!
    Wieder und wieder sehen Sie Frauen, die mit Babybildern die Welt überschwemmen. Als hätten sie sonst keine Welt gehabt. Diese Sehnsucht müssen Sie bedienen! Angelina Jolie und Brad Pitt mit fünfundsechzig Kindern im Schlepp und trotzdem noch aussehen wie die Götter auf Erden. Da kann der tausendmal den harten Vater spielen! Tut er eh nur bei
Malick
, diese Melancholikerinszenierungen. Aber das ist Metafiktion.
    Daran glauben ‹sie› heute, die Frauen, das weibliche Publikum, die, die ihre Freunde, Männer, Geliebten ins Kino ziehen, damit sie ihre Klatschpressefantasien sozusagen übers Eck der
Stories
, der
Action
, des
Happy Ends
ausleben können, jeder Auftritt von einem dieser entbundenen Megastars ist doch eine indirekte Aufforderung, es endlich auch sein zu wollen: schwanger. Warum hat Deutschland ein

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