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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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ich bin nach Amerika. Und den Rest kennen Sie ja.»
    Kannte er nicht. Kannte niemand. Deshalb war er jetzt hier in Sperlonga.
    Â«In den Siebzigern, vor dem
Weißen Hai
, war Hollywood eine ganz andere Welt. Das Marketing hieß damals noch Abteilung für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit,
Der weiße Hai
eröffnete flächendeckend, damals, ’75, eine riskante Entscheidung, das hieß, er lief im ganzen Land auf insgesamt 409 Leinwänden. Heute sind es für eine große Studioproduktion über 4000. 4000 Kinos allein in den USA. Und wenn die Säle auch nur einen Tag leer bleiben, wasglauben Sie, was für ein Verlust das ist. Das war’s dann für den Verleih, der Film wird abgesetzt, gnadenlos, nächstes Wochenende gibt es eine neue Eröffnung, es kommt eine neue Hoffnung, Plakate werden geklebt, immer das gleiche Spiel. Sie haben nur diese eine Chance mit ihrem Film, diese ersten zwei Tage. Die müssen Sie nutzen. Manchmal, wenn ich mir einfach so eine Karte gekauft habe wie ein gewöhnlicher Kinogänger und dann in dem Film saß, für den ich die Kampagne gemacht habe, und niemand anderes saß drin oder nur ein paar Teenager, die sich mehr füreinander interessierten und an den falschen Stellen lachten, dann stellte ich mir vor, wie mein Vater neben mir sitzen würde, mit seiner Augenklappe und seinem blinden Vertrauen in den Schnitt.
    Wir wären essen gegangen und hätten über Beleuchtungsfehler gestritten; ich glaube, er hätte meinen Beruf nicht gemocht, aber dennoch mit mir gelitten. Und irgendwann hätte er gesagt, sei froh, dass das nicht der wirkliche Krieg ist, nur der an den Kassen.»
    Das «Häppchen» hatte gut geschmeckt. Ralph war regungslos neben ihm stehen geblieben. Er sah ihn aber nicht an. Der Interviewer konnte ein leichtes, holziges Parfüm an ihm riechen. Vielleicht Zypresse. Er rutschte unruhig nach vorn und rückte ein wenig von der Seitenlehne des Sofas ab, weg von Ralph.
    Â«Ja, bitte nehmen Sie noch. Ralph macht immer solche Häppchen, grün-weiß-rot in Italien, Trikolore in Frankreich – fürs Blau nimmt er Auberginen oder irgendeinen eingelegten Fisch. Was mit meinem Vater geschehen ist? Gleich nach der Ausreise, noch im Lager bei Fulda, haben sie Krebs bei ihm festgestellt, in der Lunge, zu viele Papirossi, das liegt in der Familie, wie Sie sehen. Könnten Siemich etwas weiter vom Fenster wegschieben? Danke sehr, ich vertrage kein direktes Licht.»
    Es wäre leichter gewesen, einfach den Spalt mit dem Samtvorhang gänzlich zu schließen, oder wenn der blonde Riese ihm kurz das Tablett gereicht und dann den alten Mann mit seiner Rollstuhl-Sauerstoff-Sackkarren-Konstruktion aus dem Lichtstrahl gehoben hätte. Zuzutrauen wäre es ihm gewesen. Aber Ralph war gegangen, und so schob sich der Interviewer aus der tiefen Sitzwange des Sofas, achtete darauf, sich nicht am Tisch abzustützen, um nicht das Mikrofon zu touchieren, ging zu dem alten Mann, stellte sich hinter den Stuhl, hob ihn versuchsweise an, er war leicht, leichter als gedacht, und das war gut so, denn er würde ihn ein ganzes Stück nach hinten ziehen müssen, einfach aus der Sonne raus, und immer zugleich mit der anderen Hand die Sackkarre mit der Sauerstoffflasche, den Zwilling, weil der alte Mann die Maske und die Verbindungsschnur umgehängt hatte. Es gelang ihm. Er setzte sich wieder.
    Â«Jedes Manöver beginnt mit Vergleichen. Ich sage: Der Kidman-Film über den Sudan wird wie
Ghandi
, politisch anspruchsvoll, aber romantisch wie
Jenseits von Afrika
. Ich versuche, eine Formel zu finden. Meistens bekommt der Film dann ein Branchenlabel verpasst, die ‹Kidman aus Afrika›. Das sind die Spielzüge des Marketings. Unser neuer Film, der, den wir in der Cinecittà machen, von dem ich Ihnen aber nichts verraten darf – der wird etwas zwischen
Der Untergang
und
Titanic
. Glauben Sie nicht, was? Warten Sie ab. Großes Geschichtskino, eine Offenbarung, ein Auftrag an uns alle. Es geht um den Zweiten Weltkrieg. Genauer gesagt, um den Beginn. Hier haben Sie einen Aschenbecher.»
    Ihm war nicht bewusst gewesen, dass er, wohl aus Nervosität, sofort wieder angefangen hatte zu rauchen. Das wurde peinlich. Gerade jetzt, da der alte Mann zum Thema kam. Dinge, die wir noch nicht wissen. So hatte der Redakteur es gesagt: Bringen Sie uns Dinge, die wir noch nicht wissen. Kriegen Sie raus, was mit

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