Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
Oprah gesehen, und da war ein langer Bericht über Frustessen …«
Ich werfe einen kurzen Seitenblick auf meine Schwester. Mit hochgezogenen Augenbrauen starrt sie Robyn an, und in ihrem Gesicht spiegelt sich ungläubiges, namenloses Entsetzen. Mir wird ein bisschen mulmig. Mit meiner Schwester redet man nicht über Gefühle und Seelenqualen. Sie ist kein besonders emotionaler Mensch. Das einzige Mal, dass ich sie bisher mal leicht verstört erlebt habe, war, als sie einmal bloß neunundneunzig von hundert Punkten bei einer Chemiearbeit bekommen hat.
»… Ihr Mann ist mit ihrer besten Freundin abgehauen, und sie hat fast hundert Kilo zugenommen, weil sie sich ständig mit Cremetörtchen vollgestopft hat. Könnt ihr euch das vorstellen? Sie war dermaßen am Boden zerstört, dass sie den Schmerz mit Cremetörtchen ersticken wollte. Zum Frühstück gab es Red-Velvet-Cupcakes, zum Mittagessen aß sie Schokoladentörtchen mit doppelter Schokocremefüllung, und dann Zitronencreme-Cupcakes zum …«
»Also, was wollen wir trinken?«, frage ich und schneide ihr einfach das Wort ab, ehe wir alle verdursten.
»Whisky Sour«, entgegnet meine Schwester wie aus der Pistole geschossen.
»Robyn?« Nachdem ich den Barkeeper zu mir gewinkt habe, drehe ich mich zu ihr um.
»Ähm, oh, keine Ahnung«, keucht sie und holt zum ersten Mal seit fünf Minuten wieder Luft. »Mal überlegen. Wonach ist mir heute Abend …?« Sie legt den Kopf schief und dreht gedankenverloren eine braune Locke um den Zeigefinger. »Etwas Süßes …«
»Einen Lemon Drop vielleicht?«, schlägt der Barkeeper mit einem breiten Lächeln vor.
Sie rümpft die Nase. »… aber nicht zu süß.«
»Na ja, dann vielleicht einen Mojito?«
»Uuh!«, quiekt sie aufgeregt. »Ich liebe Mojitos!«
»Prima.« Der Barkeeper nimmt eine Handvoll Minzeblätter und greift zu Glas und Stößel.
»Aber heute Abend nicht«, sagte sie nach kurzem Überlegen und schüttelt entschieden den Kopf.
Mit zusammengebissenen Zähnen legt der Barkeeper den Stößel beiseite.
»Heute Abend ist mir nach etwas Außergewöhnlichem«, fährt sie quietschvergnügt fort. Hinter uns bildet sich schon eine Schlange, aber sie plappert unbeirrt weiter.
»Vielleicht ein Martini?« Der Barkeeper reicht ihr die Cocktailkarte. »Davon haben wir etliche Varianten. Wie zum Beispiel den Ginger Martini mit Ingwer.«
»Mmm, klingt köstlich …«, gurrt sie verzückt.
Erleichterung blitzt in den Augen des Barkeepers auf.
»… aber der mit Granatapfel auch«, sagt sie und stöbert weiter in der Karte. »Wow, das sind ja unglaublich viele, und die klingen alle so lecker. Ach, schaut mal, wie wäre es denn mit dem Lychee-Martini? Wie der denn wohl schmeckt?«
»Nach Lychees«, entgegnet meine Schwester, ohne eine Miene zu verziehen.
Verdattert schaut Robyn auf. »Also, ehrlich gesagt, ich glaube, ich nehme einfach ein Glas Wein«, erklärt sie hastig und gibt dem Barkeeper die Cocktailkarte zurück. »Irgendeinen
weißen. Ich bin da nicht so wählerisch«, fügt sie hinzu und weicht dem strafenden Blick meiner Schwester aus.
»Und ich nehme ein Bier«, sage ich lächelnd. Ich war noch nie ein großer Cocktailfan. Davon werde ich viel zu schnell betrunken.
»Kommt sofort.« Der Barkeeper greift nach einem Cocktailshaker.
»Ach, nur eins noch …« Unvermittelt stellt Robyn sich auf die Zehenspitzen, beugt sich über die Theke und beäugt den Barkeeper im hellen Licht etwas genauer. »Verrätst du mir deinen Namen?«
Ich bin völlig perplex. Ich habe ja schon gehört, dass amerikanische Frauen nicht um den heißen Brei rumreden und Männer einfach ganz direkt ansprechen, aber das hier ist so, na ja, dreist .
»Brad.« Mit einem Grinsen legt er eine kleine Tom-Cruise- in- Cocktail -Showeinlage hin. »Wieso, soll ich dir meine Nummer auch gleich geben?«
Enttäuschung macht sich auf Robyns Gesicht breit. »Nein, danke.« Mit einem leisen Seufzen setzt sie sich wieder auf ihren Barhocker. »Nur, wenn du Harold wärst.«
»Wer bitte ist Harold?«, frage ich verdutzt.
»Keine Ahnung.« Sie zuckt die Schultern. »Das ist ja das Problem.«
»Wenn du eine vermisste Person suchst, ich habe prima Verbindungen zum NYPD«, schlägt Kate hilfsbereit wie immer vor.
»Meine Schwester ist mit einem Polizisten verheiratet.«
»Ehrlich?«, ruft Robyn mit großen Augen. »Wie aufregend!«
»Eigentlich nicht«, entgegnet meine Schwester lachend. »Du hast Jeff noch nicht kennengelernt.«
»Und
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