Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
Harold auch nicht«, wirft der Barkeeper ein, der uns heimlich belauscht hat. Er wirkt etwas eingeschnappt, für einen
Wildfremden mit einem Namen wie sein eigener Großonkel abserviert worden zu sein.
»Noch nicht, aber ich weiß, dass er da draußen ist«, erklärt Robyn vollkommen überzeugt. »Hat mir eine Hellseherin gesagt.«
»Du warst bei einer Hellseherin ?« Kate starrt sie ungläubig an.
»Vor ungefähr einem Jahr«, entgegnet Robyn und nickt mit todernstem Gesicht. »Sie sagte, ich werde meinen Traummann treffen, meinen Seelenverwandten, und ich solle die Augen aufhalten nach einem Harold.« Und damit greift sie nach einem großen rosa Amulett, das um ihren Hals baumelt, und hält es fest umklammert. »Was die Liebe angeht, vertraue ich mich ganz der Weisheit und der Macht des Universums an.«
Ich werfe meiner Schwester einen Blick zu. Sie kann ihren Zynismus kaum verbergen.
»Hat sie dir auch gesagt, wie dieser Harold aussehen soll?«
Robyn überlegt kurz und vergewissert sich mit einem schnellen Blick nach links und rechts, ob irgendjemand zuhört, als befürchte sie, jemand könne sie belauschen und mit diesen Geheiminformationen abhauen und ihr den ominösen Harold vor der Nase wegschnappen. Als sie sich überzeugt hat, dass die Luft rein ist, flüstert sie verschwörerisch: »Groß, dunkelhaarig und gutaussehend.«
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie der Barkeeper die Brust rausstreckt.
»Na, das ist doch mal originell«, brummt Kate und verdreht die Augen.
»Bitte schön, Ladys«, werden wir vom Barkeeper unterbrochen, der drei Drinks auf die Theke vor uns stellt. »Das macht dann achtundzwanzig Dollar.«
»Ich mache das schon«, sage ich und greife nach meiner Handtasche. »Die Runde geht auf mich.« Hektisch krame ich nach meinem Portemonnaie, aber meine Handtasche ist so
vollgestopft, dass ich es nirgendwo finde. Große Shopper mögen zwar schick aussehen , aber letzten Endes schleppt man bloß einen Haufen unnötigen Krimskrams mit sich herum.
Bei meinen Grabungsarbeiten befördere ich ein Schoko-Brownie-Papierchen ans Tageslicht, ein Lipgloss voller Fussel, meinen U-Bahn-Pass … Verflixt. Das Ding muss doch hier irgendwo sein. Ich balanciere meine Handtasche auf dem Schoß und drehe sie seitlich, damit ich besser hineingucken kann, als sie plötzlich umkippt und der gesamte Inhalt sich auf den Boden ergießt.
»Auweia, warte, ich helfe dir«, ruft Robyn. Schnell bückt sie sich und hilft mir, alles wieder einzusammeln. »Ooh, was ist das denn?«
Ich schaue rüber und sehe, dass sie die Zeitschrift in der Hand hält, die ich in der Bahn gelesen habe. »Ach, gar nichts«, zirpe ich fix und will ihr das Heft aus der Hand nehmen, aber es ist zu spät – sie hat den Fragebogen längst entdeckt.
Und fängt auch gleich an, ihn laut vorzulesen. »›Sind wir nicht alle auf der Suche nach dem Traumpartner? Machen Sie unseren großen Liebestest, und finden Sie heraus, ob er der Traummann für Sie ist!‹«
Mit vor Aufregung weit aufgerissenen Augen schaut sie zu mir auf. »Oh, wow, ich liebe diese Fragebögen!«
»Warum wundert mich das nicht?«, mischt Kate sich ein und reicht dem Barkeeper an meiner Stelle das Geld.
Dankbar gucke ich sie an. »Das ist bloß so ein sentimentaler Quatsch«, murmele ich und werde ein bisschen rot.
»Aber du hast ihn doch ausgefüllt!«, widerspricht Robyn mir und wedelt mit dem inkriminierenden Heftchen herum wie mit einem unwiderlegbaren Beweis in einem Mordprozess.
Himmel, hilf. Jetzt komme ich mir vor wie ein kompletter Vollidiot.
»Mir war langweilig in der U-Bahn, du kennst das doch.«
Ich bemühe mich, ganz beiläufig und unbeteiligt zu klingen, weiche aber dem durchdringenden Blick meiner Schwester aus. Einmal, als Teenager, hat sie mich mal dabei erwischt, wie ich heimlich mein Horoskop und das von Ricky Johnston gelesen habe, in den ich damals verknallt war. Monatelang hat sie mich damit aufgezogen.
Und auch Jahre später hat sich offenkundig nichts geändert.
»Gib mir das. Ich werfe es weg«, lache ich unbeschwert und strecke die Hand danach aus, doch Robyn ist schon in den Fragebogen vertieft, hat die Nase ins Heft gesteckt und die Augen hochkonzentriert zusammengekniffen.
»Und, was für eine Punktzahl hattest du? War er dein Traummann? Deine wahre Liebe?« Mit erwartungsvollem Gesicht sieht sie mich an.
»Hör zu, ich sage dir das nur ungern, aber so was gibt es gar nicht«, erklärt meine Schwester abfällig. »Das ist völliger
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