Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
noch mehr schreiben; wie schön ich den Abend mit ihm fand, dass ich ihn furchtbar gerne wiedersehen will … Ich fange an zu tippen und halte dann gleich wieder inne. Argh, nein, das kann ich ihm nicht schreiben. Das wirkt viel zu aufdringlich, haue mir selbst auf die Finger und lösche es schnell wieder. Hin- und hergerissen starre ich auf mein Handy. Simsen ist so was von schwierig. Man muss jedes einzelne Wort auf die Goldwaage legen, und am Schluss muss man sich auch noch überlegen, ob man ein Küsschen ans Ende setzt oder nicht.
Kritisch beäuge ich meine Nachricht und setze dann ein x dahinter. Na ja, ich will schließlich nicht unfreundlich wirken. Und ich möchte ihm ja wirklich gerne einen Kuss geben. Und wenn es auch bloß ein virtueller ist. Schnell drücke ich auf Senden, ehe ich es mir wieder anders überlegen kann.
Ein paar Sekunden später piepst mein Handy und zeigt an, dass eine Nachricht von ihm eingegangen ist.
Hey, Unruhestifterin. Wo bist du? Sag nicht, du sitzt schon wieder im Knast …
Ich muss lachen. So schnell, wie er geantwortet hat, hat er sich bestimmt nicht viele Gedanken gemacht, was er schreibt, denke ich und drücke auf Antworten.
Nein, im Taxi zum Flughafen. Muss nach M’s Vineyard, neuen Künstler an Land ziehen.
Zwei Sekunden später kommt die Antwort.
Wann kommst du zurück?
Freitag.
Freitagabend unbedingt freihalten. Hab ’ne Überraschung für dich.
In meinem Magen startet ein ganzer Schmetterlingsschwarm.
Was denn?
Wenn ich dir das sage, ist es doch keine Überraschung mehr!
Ich lächele in mich hinein und sage ihm »Bye«. Jetzt fühle ich mich schon viel besser. Vielleicht hat es ja sogar sein Gutes ,
ein paar Tage nicht in der Stadt zu sein, überlege ich, bemüht, dem Ganzen etwas Positives abzugewinnen. So kann ich erst mal ein bisschen Abstand von Nate gewinnen und brauche mir keine Sorgen zu machen, ihm ständig über den Weg zu laufen. Und ich brauche mir auch nicht den Kopf über ihn zu zerbrechen. Ich kann mich ganz auf Adam konzentrieren.
Von diesem Gedanken beflügelt, drehe ich mich um und schaue aus dem Fenster.
Wenn ich am Freitag zurückkomme, denke ich hoffnungsvoll, wird Nates und meine Beziehung mir mit ein bisschen Glück nur noch wie ein schlimmer Alptraum vorkommen.
Am Flughafen JFK angekommen, marschiere ich schnurstracks zum JetBlue-Check-in-Schalter, wo ich dann erfahre, dass ich keinen Direktflug habe, sondern in Boston umsteigen muss. Aber das ist nur halb so schlimm – der Flug nach Boston dauert gerade mal eine Stunde. In der Zeit kann ich den Artikel über Artsy lesen, beschließe ich, während ich es mir auf meinem Sitz bequem mache. Oho, wirklich kuschelig hier. Weich gepolsterte Ledersitze, ein eigener Bildschirm mit großer Senderauswahl … Zufrieden bestelle ich mir erst mal ein Glas Wein, schnalle mich an und lehne mich wunschlos glücklich im Sitz zurück, um mich in meinen Artikel zu vertiefen. Ehrlich gesagt, so langsam finde ich wirklich Gefallen an dieser kleinen Dienstreise.
Der Flug ist so angenehm, dass ich mir fast wünsche, er ginge nie zu Ende. Ich lese meinen Artikel, zappe mich durch die verschiedenen Sender, und ehe ich mich’s versehe, sind wir auch schon in Boston gelandet, und ich schlendere ziellos durch die Geschäfte am Flughafen, um die Zeit bis zu meinem Anschlussflug totzuschlagen. Irgendwie habe ich fast das Gefühl, in einer Parallelwelt gelandet zu sein, in der es keinen Alltag gibt. Die vielen Menschen, das Kommen und Gehen,
die freudige Spannung, die in der Luft liegt, das Gefühl, nur auf der Durchreise zu sein. Als wäre alles andere vollkommen unwichtig.
Wie Geld, beispielsweise, denke ich, als ich mir eine Feuchtigkeitscreme ansehe. Normalerweise, draußen in der normalen Welt, würden sich mir bei diesem Preis die Nackenhaare sträuben, aber irgendwie schafft es die Airport-Wunderwelt, dass neunzig Dollar wie Monopolygeld wirken. Es ist völlig unwichtig, überlege ich, während ich quietschvergnügt meine Kreditkarte über den Tresen schiebe. Oooh, und dann diese süßen Kühlschrankmagnete mit dem »Boston Red Sox«-Schriftzug. Als die mir an der Kasse ins Auge springen, packe ich gleich ein paar in meinen Einkaufskorb. Ich weiß zwar nicht so genau, wer oder was die Boston Red Sox sind, aber Robyn würde sich sicher über einen davon als kleines Souvenir freuen, weil sie dauernd Horoskope, vegetarische Kochrezepte und To-do-Listen an den Kühlschrank pappt. Und wo wir gerade
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