Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
sein, so als hätte ich mich gerade ohne Fallschirm kopfüber aus dem Flugzeug gestürzt. Wobei, eigentlich gar keine so schlechte Idee. Wäre zumindest eine todsichere Methode, endlich alles hinter mir zu lassen.
Aber nein, stattdessen sitze ich stocksteif da und starre unverwandt in meine Zeitschrift. Und versuche, mir mit schierer Willenskraft einzureden, dass ich das alles nur träume. Dass die Person, die da neben mir sitzt, nicht die ist, für die ich sie halte. Ja, indem ich den Namen nicht mal denke, kann ich einfach so tun, als sei das alles gar nicht wahr. Ich bilde mir das bloß ein. Oder habe einen sehr realistischen Traum, und gleich wache ich auf und bin wieder in meiner Wohnung in New York, und nicht zwanzigtausend Fuß hoch in der Luft, in einer winzigen neunsitzigen Propellermaschine, in einem Sitz gleich neben …
»Das kann doch nicht wahr sein. Lucy? «
Knall zerplatzt meine kleine Seifenblasentraumschaumillusion.
In dem verzweifelten Versuch, mich vor der unausweichlichen Realität zu verstecken, bin ich immer tiefer hinter meiner Zeitschrift versunken. Nun luge ich widerstrebend hinter meinem Schutzwall hervor. »Oh, hallo, Nate«, sage ich und weiche seinem Blick aus. Als könnte ich immer noch so tun, als wäre das alles gar nicht wahr.
Ich meine, ganz ehrlich.
DAS KANN DOCH ALLES GAR NICHT WAHR SEIN.
Ist es aber.
»Herrje, du bist es wirklich!«
»Bitte sehr.« Die Stewardess kommt mit meinem Wasser zurück.
»Ach … danke.« Froh über die Unterbrechung, trinke ich einen großen Schluck. Der Flug dauert bloß dreißig Minuten. Und fünf müssen inzwischen sicher schon vorbei sein. Kurz überlege ich, ihn einfach die nächsten fünfundzwanzig Minuten zu ignorieren.
»Was, um alles auf der Welt, machst du hier?«
Was allerdings gar nicht so einfach ist, wenn er bloß ein paar Zentimeter entfernt ist und mich entgeistert anstarrt und offensichtlich wild entschlossen ist, mit mir zu reden.
»Nach Martha’s Vineyard fliegen«, entgegne ich todernst und gucke ihn nun endlich an. »Und du?«
Angesäuert runzelt er die Stirn. »Das ist nicht komisch, Lucy.«
»Glaub mir, das weiß ich auch«, stimme ich ihm missmutig zu. »Oder siehst du etwa, dass ich lache?«
Wir starren einander an. Ehrlich gesagt habe ich noch nie gesehen, dass Nate die Worte fehlen, aber es scheint ihm wirklich die Sprache verschlagen zu haben. Das Gefühl kenne ich nur zu gut. Das ist ja schon mehr als lächerlich. Ich meine, was soll ich denn jetzt machen? Schließlich gibt es doch keine Verhaltensregeln für derlei Fälle, oder?
Nein, aber es gibt DEN PLAN.
Urplötzlich höre ich Kates Stimme in meinem Ohr und erstarre. Vielleicht hat sie ja recht. Vielleicht funktioniert es ja wirklich. Denn bisher haben alle anderen Maßnahmen kläglich versagt. Robyns Bannspruch war ein einziger Reinfall – und das hier wäre doch die perfekte Gelegenheit, den Masterplan in die Tat umzusetzen … Ich überlege fieberhaft, und in meinem Kopf laufen die Drähte heiß. Mein ganzes Leben lang habe ich immer auf meine Schwester gehört, wenn ich in Schwierigkeiten war. Sie weiß immer, was zu tun ist.
Ach, zum Teufel. Ich tu’s. Ich probier’s. Schließlich habe ich nichts zu verlieren. Außer Nate.
Okay, dann muss ich jetzt erst mal meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Schnell schnappe ich mir meine Handtasche, die ich unter dem Sitz verstaut habe, fahre mit der Hand in die Innentasche und ziehe langsam und unauffällig das vierseitige Dokument heraus, das ich überall hin mitschleppe, genauso wie die Braut- und Babyzeitschriften. »Arbeit«, erkläre ich Nate beiläufig, der mir stirnrunzelnd zusieht.
Dann entfalte ich das Papier und überfliege rasch die fünfundzwanzig Punkte. Okay, los geht’s, in keiner bestimmten Reihenfolge, also fange ich einfach mit was ganz Leichtem an …
19. Rülpsen.
Als Kind war eine meiner Partynummern eine gerülpste Version des »Froschchors«. Das ist zwar Jahre her, und ich weiß gar nicht, ob ich das noch kann, überlege ich, während ich konzentriert Luft schlucke.
»Bjöörrggghhhh.« Unvermittelt lasse ich einen durchdringenden Rülpser los.
Wow, das klappt also immer noch, denke ich zufrieden mit einem kleinen triumphierenden Grinsen im Gesicht.
Aus den Augenwinkeln sehe ich Nates schockierte Miene.
»Ups, ’tschuldigung. Hab nur ein bisschen viel Luft im Bauch.« Ich lächele ihn zuckersüß an.
Mit angeekeltem Gesicht dreht er sich von mir weg und klappt
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