Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
gibt, von Martha’s Vineyard bis gestern Abend, von A bis Z.
»Ich habe es mit E-Mails versucht und mit SMS, einfach alles, aber nichts. Ich weiß nicht, was ich noch machen soll.« Ich seufze tief und sinke auf meinem Platz in mich zusammen. »Ich kann es einfach nicht fassen, wie Nate sich aufgeführt hat. Er hat das mit Adam gründlich vermasselt. Dabei habe ich mich komplett an unseren hirnrissigen Plan gehalten. Punkt für Punkt.« Ich schüttele mich angewidert. »Es ist, als würde rein gar nichts funktionieren.«
Trübsinnig starre ich in den Kaffeesatz meines Latte macchiato. Letzte Nacht, nachdem Nate weg war, bin ich ins Bett gegangen, aber ich konnte nicht schlafen. Die ganze Nacht habe ich mich hin und her gewälzt und bin am Morgen ganz zerschlagen aufgewacht. »Ich mache ihm wirklich keinen Vorwurf. Ich meine, für ihn muss das auch alles andere als schön sein. Wie es aussieht, wollten er und seine Frau es noch mal miteinander versuchen, aber das kann er jetzt auch knicken.« Ich seufze noch tiefer und versinke noch weiter unter dem Tisch. »Es ist alles so ein schreckliches Schlamassel. Wir sind dazu verflucht, auf immer und ewig zusammenzubleiben.«
»Ihr Glückspilze.«
»Wie bitte?« Perplex gucke ich von meinem Latte macchiato hoch und schaue meine Schwester an. Sie hat die ganze Zeit kaum ein Wort gesagt und ihren Salat Niçoise kaum angerührt. Stattdessen starrt sie nur geistesabwesend ins Leere und scheint mit anderen Dingen beschäftigt zu sein. Höchstwahrscheinlich mit Fusionen und Übernahmen oder ihrem Marathontraining.
»Manche Menschen würden liebend gerne für immer zusammenbleiben. Ich wünschte, Jeff und mir wäre das vergönnt.«
»Hast du die Ehe nicht immer als lebenslängliche Freiheitsstrafe bezeichnet?«, merke ich spitz an. »Und bei guter Führung käme man ein bisschen früher raus?« Ich schaue Kate an und erwarte, dass sie laut loslacht, doch sie verzieht keine Miene.
»Jeff hat Krebs.«
Bumm. Einfach so.
Ungläubig sehe ich sie an. »Was?«
»Hodenkrebs. Die Ärzte haben endlich herausgefunden, warum er immer weiter abgenommen hat und es ihm so schlecht geht. Als Nächstes stehen eine Thoraxaufnahme und ein großes Blutbild an, um herauszufinden, ob der Krebs schon gestreut hat.« Sie sagt das alles ganz nüchtern, in demselben Ton, in dem sie überlegt, was sie zu Mittag essen soll. »Natürlich müssen sie ihm eins seiner Eier abschneiden, aber das ist halb so schlimm – man kommt auch mit einem gut hin.«
Stumm starre ich Kate an und höre zu, wie sie nüchtern und sachlich doziert, doch ich traue meinen Ohren kaum. »Um Himmels willen, Kate, das gibt es doch nicht«, bringe ich schließlich heraus. »Darauf wäre ich nie im Leben gekommen.« Ich will über den Tisch nach ihrer Hand greifen, aber sie zieht sie weg. Ich fühle mich schrecklich. Da schwadroniere
ich stundenlang über Nate und Adam, und die ganze Zeit sitzt Kate da mit ihren furchtbaren Neuigkeiten.
»Ich weiß, ich wollte es anfangs auch nicht glauben. Ich dachte, er braucht bloß ein Antibiotikum.« Sie stockt kurz, dann fängt sie sich wieder und redet rasch weiter. »Die gute Nachricht ist, die Chancen stehen nicht schlecht, dass der Krebs im Frühstadium entdeckt wurde und noch nicht gestreut hat, und wenn der Tumor weg ist, dann ist alles raus. Wobei das noch nicht ganz sicher ist, sie führen gerade etliche Tests durch, also müssten wir bald Genaueres wissen.« Mit einem schmallippigen Lächeln nippt sie an ihrem Wasserglas. »Der Onkologe meint, wenn schon Krebs, dann am liebsten den. Ich wusste gar nicht, dass es eine Top Ten der besten Krebssorten gibt, aber man lernt ja nie aus.«
»Und was, wenn …« Ich beiße mir auf die Zunge. Diese Frage will ich gar nicht stellen. Aber Kate spricht es an meiner Stelle aus.
»Wenn er schon gestreut hat?«, sagt sie ruhig.
Stumm schaue ich sie an, fast schon beschämt. Es erscheint mir taktlos, so etwas auch nur zu denken.
»Na ja, dann müssen wir es nehmen, wie es kommt«, meint sie pragmatisch. »Dann kommt das ganze Programm – Bestrahlung, Chemotherapie. Ich habe mir alles angelesen, aber selbst für mich, mit meinem Medizinstudium als Hintergrund, ist das vollkommen neues Terrain.« Sie ist so unglaublich gelassen. Fast schon unheimlich.
»Du bist so ruhig dabei«, sage ich verblüfft zu ihr.
Sie zuckt die Achseln. »Bringt doch nichts, wenn ich in Panik gerate. Wir müssen uns mit der Faktenlage auseinandersetzen. Der
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