Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
gleich viel besser. Noch nie haben sie mich enttäuscht. Und diese kleine Aufmunterung brauche ich jetzt mehr denn je.
Trostsuchend spaziere ich, wie ferngesteuert, durch die Tür hinein und freue mich schon darauf, in die ausgestellten Werke einzutauchen. Doch heute fühle ich mich beim Anblick der Gemälde kein bisschen besser; die Skulpturen heben meine Laune nicht; nicht mal Rothkos Four Darks on Red entfaltet seine übliche Magie.
Unvermittelt muss ich an das letzte Mal denken, als ich in einem Museum war. Das war nach dem Streit mit Nate, als ich Adam im MoMA getroffen habe. Beim Gedanken an ihn zieht sich mein Magen zusammen. Was würde ich dafür geben, wenn er einfach dastünde, überlege ich, als ich von Ausstellungsraum zu Ausstellungsraum schlendere, immer in der Hoffnung, ihn irgendwo zu entdecken, und jedes Mal bitter enttäuscht bin, wenn ich einsehen muss, dass er nicht da ist.
Als das Museum schließt, stehe ich wieder auf der Straße. Es ist früher Abend, der wolkenlose Himmel ist lila überhaucht, und zum ersten Mal spüre ich, dass der Sommer
sich langsam dem Ende zuneigt und der Herbst vor der Tür steht. Fast kommt es mir vor, als wäre, während ich im Museum war, etwas passiert; als hätte sich ganz unmerklich etwas verändert, als ginge etwas zu Ende. Ich marschiere los. Die Füße tun mir weh, und ich weiß nicht genau, wo die nächste U-Bahn-Station ist, doch irgendwie passt dieses Gefühl des Verlorenseins zu meiner Stimmung.
Ich gehe einfach immer weiter, bis ich eine U-Bahn-Station finde, beschließe ich, laufe kreuz und quer zwischen Häuserblocks herum, drifte ziellos am Central Park vorbei.
Ehe ich mich’s versehe, bin ich im Village, und die Straßen sind gesäumt von belebten Restaurants und Bars. Die Leute drängen sich auf den Bürgersteigen, rauchen Zigaretten und plaudern, und ein undurchdringliches Stimmengewirr liegt in der Luft. Ohne anzuhalten, gehe ich vorbei, schnappe Gesprächsfetzen auf, bis ich schließlich vor einer Kunstgalerie stehe.
Neugierig bleibe ich stehen. Man hört Gläserklirren, das Summen vieler Dutzend Stimmen, und Parfum und Aftershave wehen in kleinen Wölkchen zu mir heraus. Vor der Galerie steht eine kleine Menschenmenge.
Für einen Moment rast mein Herz wie wild. Eine Vernissage. Vielleicht ist Adam ja hier.
Mit vor Aufregung angehaltenem Atem schaue ich mich um und suche die Menge mit den Augen ab.
Dann sehe ich jemanden. Er hat mir den Rücken zugewandt, aber er trägt ein T-Shirt, eine weite Jeans und hat dunkle, verstrubbelte Haare … Mein Herz hämmert. Das ist er. Das ist Adam .
Es ist wie eine Adrenalinspritze. Ein ganzes Gedankenknäuel schießt mir gleichzeitig durch den Kopf, als ich auf ihn zugehe, und es geht alles durcheinander: Erleichterung, Sorge, Hoffnung, Angst.
»Adam«, höre ich eine eindringliche Stimme seinen Namen sagen und merke dann erst, dass ich das bin. »Ich muss dir was erklären.«
Er unterbricht seine Unterhaltung und dreht sich zu mir um.
Doch er ist es nicht. Es ist ein Fremder, der ihm höchstens entfernt ähnlich sieht. Fragend schaut er mich an.
»Oh.« Die Enttäuschung ist niederschmetternd. »Ich dachte, Sie wären jemand anderer.«
»Wer soll ich denn für Sie sein?«, witzelt er gutgelaunt, und seine Freunde lachen.
Ich versuche, mir ein Lächeln abzuringen, aber mein Gesicht macht nicht mit. Unvermittelt schießen mir die Tränen in die Augen. »Tut mir leid. Mein Fehler«, stammele ich und drehe mich auf dem Absatz um.
Wenn ich das doch bloß zu Adam sagen könnte. Vermutlich werde ich dazu nie die Gelegenheit bekommen, geht mir da zu meinem blanken Entsetzen auf. Es gibt über acht Millionen Menschen in New York – wie hoch ist da die Wahrscheinlichkeit, ihn jemals wiederzusehen?
Mühsam die Tränen runterschluckend, suche ich das Weite.
Zweiunddreißigstes Kapitel
Es ist schon spät, als ich mit einer Riesentüte Kartoffelchips und einer Flasche Pinot Grigio bewaffnet nach Hause komme. Normalerweise ist das meine idiotensichere Aufmunterungs-und Schlechte-Laune-Austreibungs-Methode, doch heute Abend kann nicht mal das meine Stimmung heben, denke ich trübsinnig, während ich in die Küche schlurfe und die halb leergegessene Tüte auf den Tisch lege.
Vielleicht erfüllt wenigstens der Wein seinen Zweck.
Ich schraube den Verschluss auf. Vor gar nicht allzu langer Zeit habe ich mal einen Artikel darüber gelesen, warum viele Winzer inzwischen keine Korken mehr verwenden. Es hat
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