Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
angeblich was damit zu tun, dass der Wein so besser versiegelt ist, weil Kork wohl auch schimmeln kann. Ich persönlich halte das für vollkommenen Käse. Schraubverschlüsse sind einzig und allein dazu da, damit unter akutem Herzschmerz leidende Singlefrauen schneller an den Wein kommen .
Mutlos gieße ich mir ein Glas ein, trinke es mit einem Zug halb leer und greife dann zu meinen abgelegten Kartoffelchips mit einer gottergebenen »Okay, versuchen wir’s eben noch mal«-Attitüde, wie entnervte Ehepartner bei einer Paartherapie, tappe ins Wohnzimmer und knipse das Licht an.
»Aaarrgh.«
Ein erstickter Schrei ist zu hören, und dann sehe ich ein ineinander verschlungenes Paar auf der Couch liegen. Das zur gleichen Zeit mich sieht und entsetzt auseinanderstiebt, während sie hektisch BH-Träger sortieren, an Gürteln herumhantieren und sich hastig die Haare glattstreichen.
»Oh, äh, hi, Lucy«, murmelt Robyn. Sie hat hochrote Wangen und streicht sich verlegen das Kleid glatt. »So früh hatte ich dich gar nicht zu Hause erwartet.«
»Ähm, nein, wohl nicht«, entgegne ich, im Türrahmen zur Salzsäule erstarrt. Jetzt weiß ich auch, wie mein Dad sich gefühlt haben muss, als er mich und Stuart Yates damals mit fünfzehn völlig unerwartet im Wintergarten überraschte.
»Daniel kennst du ja.« Womit sie auf Daniel weist, der jetzt kerzengerade auf dem Sofa sitzt, als wäre er zum Kaffeekränzchen beim Pastor eingeladen.
»Ja, klar«, antworte ich nickend. »Hi, Daniel.«
»Hallo, Lucy.« Er steht auf und gibt mir höflich die Hand, wobei leider sein Hosenstall unübersehbar offen steht.
»Ähm …«Verlegen deute ich mit dem Blick nach unten.
Verwirrt schaut er an sich herunter. Beim Anblick des offenen Reißverschlusses läuft er knallrot an. Keine Ahnung, wem das Ganze peinlicher ist, ihm oder mir. Oder Robyn, die derweil energisch die Sofakissen aufschüttelt, genau wie meine Mutter, wenn die Verwandtschaft zu Besuch kommt.
»Wir haben gerade eine DVD geguckt«, erklärt sie kurz angebunden.
Ich schaue zum Fernseher. Er ist aus.
»Gut«, sage ich nickend und tue völlig nichtsahnend.
»Und, hattest du einen schönen Tag?«, erkundigt sie sich fröhlich.
Unsere Unterhaltung klingt so unecht und gestelzt, als spielten wir in einem schlechten Laientheaterstück.
»Ach, du weißt schon …« Kurz überlege ich, ihr von meiner Schwester und Jeff und von Adam zu erzählen, beschließe aber dann, es lieber sein zu lassen. Jetzt ist nicht der richtige Moment, ihr mein Herz auszuschütten. »Und ihr beiden? Wie war euer Tag so?«
»Bestens«, strahlt Daniel begeistert.
»Ganz okay«, meint Robyn und übertönt ihn einfach mit vorgetäuschter Nonchalance.
Die beiden schauen sich ständig an, und es liegt ein Prickeln in der Luft, als brodelte es heftig unter der stillen Oberfläche. Was ich zum Anlass nehme, schleunigst von der Bühne zu verschwinden.
»Na ja, ich glaube, ich gehe dann mal ins Bett. Ist schon spät.« Flugs trete ich den Rückzug in Richtung Tür an.
»Oh, unseretwegen brauchst du nicht zu gehen«, meint sie betont munter. Wobei mir auffällt, dass sie immer noch dasselbe Kissen bearbeitet. Was auch Daniel jetzt bemerkt, der es ihr daraufhin sanft, aber bestimmt aus der Hand nimmt.
»Offen gestanden bin ich hundemüde«, sage ich und schiebe noch ein Gähnen hinterher. Was auch stimmt, wie ich auf einmal merke. Es war ein anstrengender Tag. »Nacht.«
»Nacht«, entgegnen die beiden im Chor, von entgegengesetzten Enden der Couch, wo sie verlegen herumstehen, als wollten sie mir damit beweisen, dass da rein gar nichts zwischen ihnen ist.
Was natürlich nur der Beweis ist, dass da zweifellos was zwischen ihnen läuft.
Ich gehe in mein Zimmer, schalte ein paar Lämpchen ein und knipse dann meine Lichterkette an. Wenn die leuchtet, geht es mir immer gleich viel besser. Keine Ahnung, woran das liegt, aber irgendwas hat dieser warme, weiche, funkelnde Schimmer, das augenblicklich meine schlechte Laune vertreibt.
Bloß heute Abend nicht. Heute Abend zeigt sie keinerlei Wirkung, denke ich bedrückt. Also zünde ich eine Duftkerze an und lege ein bisschen fröhliche Musik auf, aber es hat einfach keinen Zweck. Nicht mal meine lächerlich teure Kerze von Diptyque, die ich nur zu besonderen Gelegenheiten anzünde, und der Mamma Mia -Soundtrack, den meine Mum
mir geschenkt hat, können meine trübe Stimmung irgendwie aufhellen.
Enttäuscht streiche ich schließlich die Segel und finde
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