Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
nach Hause.
»Genauso geht es mir auch mit den Kunstwerken, die du mir gezeigt hast«, meint er, während wir die Treppe zu meiner Wohnung hinaufgehen.
»Kann man überhaupt etwas mögen, das man nicht richtig versteht?«, überlege ich laut.
»Auf jeden Fall.« Er nickt und beißt herzhaft in seine Pizza. »Du hast dein ganzes Leben lang Zeit dahinterzusteigen. Mein Großvater hat mal zu mir gesagt, sein ganzes Leben sei ein einziger Versuch, meine Großmutter zu verstehen.«
»Und, versteht er sie inzwischen?« Wir gehen hinein und bleiben in der Küche stehen.
»Noch nicht. Er meint, sie ist für ihn ein Rätsel, das er einfach nicht lösen kann.« Er legt den leeren Pizzakarton auf den Tisch und dreht sich zu mir um. »Jedes Mal, wenn er glaubt, er hat sie durchschaut, tut sie irgendwas, womit er nie gerechnet hätte, und er sieht sie wieder mit ganz anderen Augen. So geht mir das manchmal mit Filmen. Ich habe sie ein Dutzend Mal gesehen, und dann schaue ich sie mir noch mal an und sehe etwas, das ich noch nie gesehen habe.«
»Geht mir mit Kunst genauso. Ich schaue mir ein Gemälde an, und wenn ich es mir ein paar Tage später noch mal angucke …« Ich breche ab. Adam muss ich das nicht erklären. Ich weiß, dass er versteht, was ich meine. Er versteht mich.
»Hey, du hast da ein bisschen Öl am Kinn.« Er weist auf mein Gesicht.
»Ach, ehrlich?« Ich will es mir abwischen, aber er kommt mir mit seiner Papierserviette zuvor.
»Du bist ein kleines Ferkel beim Essen, hm?«, zieht er mich auf.
»Ich bin in jeder Hinsicht ein kleines Ferkel«, lache ich, und ausnahmsweise ist das vollkommen egal. Dass ich ein Ferkel bin oder unordentlich oder unpünktlich, oder dass ich mich beim Pizzaessen vollkleckere oder zu laut rede oder dass meine Haare so seltsam lila verfärbt sind von meiner missglückten Färbeaktion neulich. Weil Adam das egal ist.
»Ich glaube, das ist das beste erste Date meines Lebens«, grinse ich ein klein wenig beschwipst.
»Nein, der Abend auf der Polizeiwache war unser erstes Date«, korrigiert er mich lächelnd.
»Das war doch keine richtige Verabredung«, protestiere ich.
»Na ja, aber da haben wir uns zum ersten Mal geküsst«, meint er.
Bei der Erinnerung an den Kuss fangen all meine Nervenenden an zu kribbeln. »Und wenn das jetzt unsere zweite Verabredung ist, heißt das dann, dass wir uns zum zweiten Mal küssen?«, frage ich zum Flirten aufgelegt.
Na ja, schließlich habe ich mich einen ganzen Abend lang mit kneifender Unterwäsche herumgeschlagen.
»Vermutlich ja.« Er nickt und legt den Arm um meine Taille und zieht mich an sich. Und ehe ich mich’s versehe, küsst er mich. Und ich küsse ihn. Und seine Hand wandert unter meinem Top nach oben. Und …
Die Türklingel summt.
Ich ignoriere sie und küsse einfach weiter.
Es klingelt wieder.
»Meinst du nicht, du solltest vielleicht aufmachen?«, murmelt Adam.
»Das ist bestimmt meine Mitbewohnerin. Sie hat ihren Schlüssel verloren«, antworte ich mit belegter Stimme. Ohne hinzuschauen, strecke ich die Hand aus, drücke auf den Öffner
für die Haustür unten und ziehe den Riegel zurück. Verflixt, Adam küsst wirklich verdammt gut.
Auf der Treppe sind polternde Schritte zu hören, die unüberhörbar immer näher kommen. »Komm, wir gehen lieber in mein Zimmer«, wispere ich und zupfe an seinem T-Shirt. Ich will mich schließlich nicht von Robyn in der Küche beim Knutschen erwischen lassen.
»Nur noch einen Kuss«, flüstert er, und seine weichen Bartstoppeln streifen mein Gesicht, als er mich ganz nahe zu sich heranzieht.
Auf einmal gibt es einen lauten Knall, als die Tür gegen die Wand fliegt. Ich springe fast bis an die Decke vor Schreck. »Herrje, Robyn«, rufe ich lachend, als Adam und ich auseinanderfahren.
Aber es ist nicht Robyn. Es ist Nate.
Es kommt mir vor, als hätte man mich aus einem Traum gerissen, und ich sei in einem Alptraum aufgewacht. »Was um alles auf der Welt?«, japse ich entgeistert, als die Gestalt im grauen Maßanzug zur Tür hereinstürmt.
»Was hast du zu Beth gesagt?«, schnauzt er mich ohne ein Wort der Begrüßung an.
Sprachlos vor Entsetzen starre ich ihn an. Ich habe ihn noch nie so wütend erlebt.
»Wer sind Sie?«, fragt Adam ganz perplex.
»Was? Wann?«, jaule ich, als ich endlich die Sprache wiedergefunden habe.
»Auf Martha’s Vineyard!«
»Sie waren auch auf Martha’s Vineyard?« Adam runzelt verdattert die Stirn.
Und auf einmal wird mir alles klar. Das war
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