Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
an Engel glaubt, bisweilen sehr vernünftige Ansichten hat.
»Du musst endlich einen Schlussstrich ziehen«, erklärt sie entschieden.
»Und wie soll ich das bitte machen?«, seufze ich niedergeschlagen. »Der Plan hat nicht funktioniert. Nichts hat funktioniert.«
»Stimmt«, gibt sie widerstrebend zu. Eine kleine Pause entsteht, und im Hintergrund höre ich das Fernsehen dröhnen.
»Was schaust du denn?«, frage ich beiläufig.
»CSI . Ich mache mich gerade fertig für meinen neuen Trommelkreis, aber ich dachte, ich schaue mal kurz rein. Ich bin gerade bei dem Teil, wo sie zum Tatort zurückgehen und nach weiteren Hinweisen suchen …« Auf einmal bricht sie unvermittelt ab. »Mensch, das ist es!«
»Was ist was?«, frage ich verdattert.
»Du musst an den Tatort zurückkehren! Die Lösung liegt doch auf der Hand. Du musst es machen wie Catherine Willows. Das ist des Rätsels Lösung.«
»Wie meinst du das?« Mein Knöchel pocht wieder von dem
ganzen Rumgerenne, weshalb ich mich entschließe, ein Taxi nach Hause zu nehmen.
»Ich meine, du musst zurück nach Venedig.«
Vor Schreck lasse ich beinahe das Handy fallen. »Das ist ja absurd!«, rufe ich.
»Es ist der einzige Ausweg. Sonst kannst du es vergessen. Auf Nimmerwiedersehen, Adam!«
Ein Taxi fährt auf mich zu und hält am Straßenrand, und ich greife nach dem Türöffner. »Bist du des Wahnsinns fette Beute? Ich kann doch nicht aus einer Laune heraus einfach so mal nach Italien jetten.« Während ich noch am Griff herumfummele, wird die Tür auf der anderen Seite schwungvoll aufgerissen, und irgendwer springt auf den Rücksitz.
»Hey, das ist mein Taxi!«, rufe ich empört. »Lucy, du musst da hin«, wiederholt Robyn am anderen Ende der Leitung beharrlich.
»Robyn«, japse ich ins Handy, während ich ebenfalls auf den Rücksitz klettere, »ich fahre auf keinen Fall nach Venedig.«
Und just in dem Moment bin ich plötzlich Auge in Auge mit dem Fremden, der gerade versucht, mir mein Taxi zu klauen.
Bloß dass es kein Fremder ist. Es ist Nate.
Sechsunddreißigstes Kapitel
»Ich fahre nach Venedig.«
Als ich am nächsten Morgen in die Küche spaziere, läuft das Radio, Tee ist frisch aufgebrüht, und Robyn hockt mit ihrem Batikpyjama im Schneidersitz am Küchentisch. »Ach, tatsächlich?« Sie guckt von ihrem Rosinentoast auf, den sie gerade buttert, und grinst wie ein Honigkuchenpferd. »Spitze.«
»Na ja, ich weiß nicht, ob ich das unbedingt ›spitze‹ nennen würde.« Eher eine Verzweiflungstat, denke ich und lasse mich auf den Stuhl neben ihr fallen. Nach meinem Zusammenstoß mit Nate am Abend zuvor, als ich mich unversehens neben ihm im Taxi wiederfand, bin ich zu allem entschlossen.
»Willst du auch ’ne Scheibe?«, bietet sie mir an.
»Mmm, ja gerne, danke.« Ich nicke, und sie gibt mir einen Toast ab.
»Und wann soll’s losgehen?« Erwartungsvoll schaut sie mich an.
»Ähäm …« Ich stocke. Auf einmal fällt mir ein, dass ich mir noch gar keine Gedanken über die ganze Geschichte gemacht habe. Im Gegenteil, jetzt, wo ich anfange , darüber nachzudenken, geht mir plötzlich auf, dass es jede Menge zu bedenken gibt. Wie beispielsweise, wie ich mir einen Flug nach Italien überhaupt leisten will oder wie ich das Hotel bezahlen oder Urlaub bekommen soll … Mir ist auf einmal ganz beklommen zumute. »Ich weiß noch nicht so genau«, murmele ich ausweichend und beiße in meinen Rosinentoast.
»Na ja, du solltest es so bald wie möglich hinter dich bringen«, empfiehlt Robyn. »Schieb das nicht auf die lange Bank.«
»Stimmt, ja, das darf ich nicht auf die lange Bank schieben«, brumme ich und kaue langsam weiter, während es in meinem Kopf drunter und drüber geht. Himmel, langsam wird mir das alles ein bisschen zu viel.
»Und natürlich muss Nate auch mitfahren.«
Ich verschlucke mich beinahe an meinem Rosinentoast. »Was? Willst du damit sagen, Nate und ich müssen gemeinsam nachVenedig fahren?« Erstaunt drehe ich mich zu ihr um. »Ich dachte, der Plan war, ihn loszuwerden, und nicht, mit ihm zusammen nach Italien zu fahren!«
Sie ist die Ruhe selbst, als sie die nächste Rosinentoastscheibe von dem riesigen Toastturm auf ihrem Teller nimmt und beginnt, sie in aller Seelenruhe zu buttern. »Das funktioniert nur, wenn ihr beide hinfahrt«, erklärt sie sachlich.
»Sagt wer?«, jaule ich und wedele verzweifelt mit meinem Toast herum. »Gibt es irgendwo ein Regelhandbuch für alte Legenden?«
Robyn hält beim Buttern inne
Weitere Kostenlose Bücher