Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
wiedergefunden und eine zweite Chance bekommen. Und was ist passiert?«
Eindringlich schaue ich Robyn an. Sie steht neben mir und wirkt vollkommen überrumpelt, was ich ihr nicht verdenken kann. Das ist alles einfach so aus mir rausgesprudelt, und ein ganzes Jahrzehnt angestauter Gefühle ergießt sich unversehens in einem überlaufenen New Yorker Diner über sie.
»Mir ist klar geworden, dass ich nicht mehr dasselbe für ihn
empfinde, und er auch nicht für mich. Mir ist klar geworden, dass ich mich geirrt habe. Genau wie Millionen anderer Menschen da draußen, die heiraten und sich irgendwann wieder scheiden lassen. Dabei hatte ich noch Glück – hätten Nate und ich keine zweite Chance bekommen, würde ich ihm immer noch nachtrauern. Vermutlich hätte ich unsere gemeinsame Vergangenheit ein Leben lang durch die rosarote Brille betrachtet, und Adam wäre mir nie aufgefallen. Ich hätte ihn einfach verpasst. Denn erst in dem Moment, als ich mir Nate endgültig aus dem Kopf geschlagen habe und das, was ich für die große Liebe gehalten habe, erst in dem Moment habe ich überhaupt von Adam Notiz genommen.«
»Hey, Lady.«
Ich höre die Stimme zwar, überhöre sie aber und seufze tief. »Hör zu, das klingt jetzt vermutlich alles vollkommen wirr, aber was ich eigentlich damit sagen will, ist, dass viel zu viele Menschen die wahre Liebe verpassen, weil sie wie mit Scheuklappen herumlaufen, krampfhaft auf der Suche nach dem Richtigen. Sie warten auf eine Fantasiegestalt, ihre fehlende bessere Hälfte, die es höchstwahrscheinlich gar nicht gibt. Auf das Schild, auf dem steht: ›Das ist deine große Liebe.‹ Genau wie du. Du hast alles auf Harold gesetzt, deinen vollkommenen Seelenverwandten, den dunkelhaarigen, gutaussehenden Fremden auf deiner Traumtafel. Du hast riesengroße Scheuklappen aufgesetzt und warst vollkommen blind für das, was du hattest, und das ist schon verdammt gut gewesen.«
Robyn scheint sich ein wenig zu winden, als hätte ich einen empfindlichen Nerv getroffen.
»Es gibt nicht immer ein großes Schild, Robyn. Man weiß es nicht immer auf Anhieb. Manchmal dauert es eine Weile, bis man sieht, was man die ganze Zeit direkt vor der Nase hatte.« Und dann halte ich den Mund und merke, dass ich beinahe keine Luft mehr bekomme vor übersprudelnden Gefühlen.
Selbst wenn es für mich und Adam zu spät ist, will ich doch nicht, dass es ihr und Daniel genauso ergeht.
Sie guckt mich an, als gingen ihr tausend Gedanken gleichzeitig durch den Kopf, und meint dann schmallippig: »Es kommt alles, wie es muss.«
»Pfui, das ist so eine faule Ausrede«, japse ich entsetzt.
»Ist es gar nicht«, protestiert sie hitzig.
»Ist es wohl, und deine Logik ist so was von verdreht«, erkläre ich. »Mir sagst du, ich muss es mit dem Universum aufnehmen, als wäre ich so eine Art Superheldin, aber du selbst lehnst dich einfach gemütlich zurück, legst die Füße hoch und wartest in aller Seelenruhe ab, was passiert, ja?«
»Hey, Lady, sind Sie schwerhörig oder was?«
Als ich mich etwas verärgert umdrehe, sehe ich den griesgrämigen Mann, der mir jeden Mittag meine Bestellung zurechtmacht. »Oh, ja richtig, tut mir leid.« Ich nehme Haltung an und hätte fast salutiert. »Ich bekomme eine Suppe mit Matzenbrotbällchen und einen …«
Aber er lässt mich gar nicht erst ausreden. »Nee, vergessen Sie mal die Suppe«, brummt er barsch und schüttelt den Kopf. »Ich habe gehört, dass Sie Venedig erwähnt haben.«
Verdattert starre ich ihn mit offenem Mund an. Noch nie habe ich diesen Mann mehr als ein paar Worte grunzen gehört, und jetzt redet er auf einmal mit mir? Über Venedig?
»Ähm, ja, stimmt«, entgegne ich etwas verunsichert und frage mich, worauf um alles auf der Welt er wohl hinauswill.
»Ich denke, ich kann Ihnen helfen.«
Ich fasse es einfach nicht. Nicht nur, dass er mit mir redet, jetzt will er mir auch noch helfen ?
»Ach, wirklich?«, mischt Robyn sich an meiner statt ein.
»Mein Onkel hat eine kleine pensione in Venedig«, meint er achselzuckend. »Der hat bestimmt ein hübsches Zimmer für Sie … wenn Sie möchten, rufe ich ihn an.«
Ich glotze ihn immer noch ungläubig an. Ich traue meinen Ohren kaum.
»Wow, das wäre spitze«, ruft Robyn begeistert.
»Ähm … ja, toll«, murmele ich wie betäubt.
»Okay, geben Sie mir Ihre Telefonnummer, und ich rufe Sie heute Nachmittag zurück«, weist er mich an und greift nach dem Kuli hinter seinem Ohr. Dann zieht er einen kleinen
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