Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
Knöchel zu ignorieren, der seit meinem kleinen Unfall im Fitnessstudio immer wieder Ärger macht und aus Protest ziept und zwickt.
Etwas außer Atem vom Laufen komme ich schließlich an einen kleinen Laden mit Schaufenster, auf das viele kleine und große Sterne gemalt sind, sowie einem Schild: »Hellsehen und Wahrsagen«.
Siegesgewiss steuere ich darauf zu. »Jawohl, ich hab’s gefunden!« Ich bin richtig aufgeregt.
»Prima!«, ruft sie begeistert.
»Aber es sieht irgendwie zu aus«, sage ich, drücke probeweise die Türklinke herunter und muss tief enttäuscht feststellen, dass die Tür abgeschlossen ist.
»Wakanda ist vermutlich gerade in einer Sitzung«, versichert sie mir rasch. »Drück auf die Klingel.«
»Okay.« Gerade will ich auf die Klingel drücken, als mein Blick auf einen Zettel fällt, der am Schaufenster klebt. »Moment mal, da hängt ein Schild.«
»Ein Schild?«, fragt Robyn verdutzt. »Was steht denn drauf?«
Mit zusammengekniffenen Augen linse ich darauf.
»Und?«, bohrt Robyn nach.
»›Aufgrund unvorhergesehener Umstände geschlossen‹.«
Am anderen Ende der Leitung herrscht tiefes Schweigen.
»Tja, das muss ja eine wahnsinnig tolle Hellseherin sein!«, spöttele ich laut.
»Bist du sicher, dass es die richtige Tür ist?« Robyn klingt völlig perplex.
»Definitiv. Nummer dreiundvierzig. Gleich neben dem Schuhladen mit der violetten Markise«, wiederhole ich ihre Richtungsangaben.
»Ich versteh das einfach nicht«, murmelt Robyn in ihren nicht vorhandenen Bart. »Da muss ein Fehler vorliegen.«
»Der einzige Fehler ist, dass ich überhaupt hergekommen bin«, entgegne ich und komme mir plötzlich ganz schön doof vor. Entschlossen drehe ich mich auf dem Absatz um und marschiere die Straße entlang zurück in Richtung U-Bahn. »Du hattest recht – das war keine gute Idee. Ich weiß gar nicht, was ich mir dabei gedacht habe.«
»Du hast an Adam gedacht«, hilft Robyn meinem Gedächtnis auf die Sprünge.
Als ich seinen Namen höre, meine ich, mein Herz würde gleich zerreißen. »Na ja, ich sollte wohl lieber aufhören, an ihn zu denken«, meine ich resigniert. »Wahrscheinlich hasst er mich sowieso.«
»Gequirlte Kacke!«, feuert Robyn zurück.
Ich halte das Handy von meinem Ohr weg und gucke es verwundert an. »Hast du gerade ›gequirlte Kacke‹ gesagt?«, frage ich und drücke es wieder an mein Ohr. Seit ich sie kenne, habe ich noch nie gehört, dass Robyn irgendwelche Kraftausdrücke benutzt.
»Tja, ja, das habe ich«, meint sie und klingt etwas verlegen. »Und das ist es auch. Weil er dich nicht hasst. Und du darfst auf keinen Fall die Flinte ins Korn werfen.«
Ich lächele dankbar. »Danke. Ich weiß, du sagst das bloß mir zuliebe, weil du nett sein willst und so, aber ich glaube, es hat keinen Sinn«, sage ich traurig.
»Okay, na ja, in dem Fall – was würdest du denn machen, wenn dir was anderes fehlen würde? Wenn etwas spurlos verschwunden wäre?«, gibt sie zurück, ohne dass meine negative Einstellung ihrem unerschütterlichen Optimismus auch nur den geringsten Dämpfer versetzen kann. »Sagen wir mal, so wie der Schlüssel, den ich neulich Abend verlegt hatte.«
»Ähm …« Damit hat sie mich völlig auf dem falschen Fuß erwischt, und ich muss erst mal kurz nachdenken. »Überlegen, wo ich ihn zum letzten Mal gesehen habe, vermutlich.«
»Also gut, dann tun wir das auch im Fall von Adam und dir«, kommandiert sie. »Wann hast du ihn das letzte Mal gesehen?«
»Am Abend unserer Verabredung, nachdem wir im Kino waren, nach unserem Streit.«
»Und warum habt ihr euch gestritten?«
»Weil Nate reingeplatzt ist und Adam alles in den falschen Hals bekommen hat.«
»Nate. Genau«, meint Robyn. »Der ist die Wurzel allen
Übels. Also musst du als Allererstes das Band zwischen dir und Nate endgültig zertrennen.«
»Auf die Idee bin ich auch schon gekommen«, entgegne ich seufzend. Gerade an diesem Tag hatte ich mal wieder einen falsch verbundenen Anruf von ihm bekommen, und Fernsehen kann ich überhaupt nicht mehr. Jedes Mal, wenn ich die Glotze einschalte, läuft Big Bucks .
»Mal ehrlich, Lucy, sonst hört das nie auf, und du kannst dich genauso gut gleich in dein Schicksal fügen.« Sie schnaubt leise. »Das ist wie mit der chinesischen Medizin. Man behandelt nicht die Symptome – man behandelt das zugrunde liegende Übel: du und Nate .«
Wie ich so die Straße entlanglaufe und ihr zuhöre, muss ich schon zugeben, dass sie für jemanden, der
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