Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
weiß nicht, was ich machen soll. Er will nicht mit mir reden. Er reagiert nicht auf meine E-Mails.«
Ratlos schauen wir uns an.
»Wenn ich doch bloß wüsste, wie ich das wieder hinbiegen kann …«, murmele ich und verstumme dann.
»Ich weiß«, meint Robyn und nickt verständnisvoll. »Bei so was wünsche ich mir immer, ich hätte eine Kristallkugel.«
»Das ist es!«, rufe ich. Mir ist gerade ein Geistesblitz gekommen. »Was ist mit deiner Hellseherin?«
Robyn guckt ziemlich skeptisch. »Aber du glaubst doch gar nicht an Hellseherinnen.«
»Du hast doch gesagt, sie kann mit Geistführern kommunizieren und hat eine besondere Gabe«, bemerke ich spitz. »Und wenn das stimmt, kann sie mir bestimmt auch sagen, was ich jetzt machen soll.«
Okay, dann klammere ich mich eben an den allerletzten Strohhalm. Was bleibt mir in meiner Verzweiflung auch anderes übrig?
»Ich weiß nur nicht, ob das so eine gute Idee ist«, entgegnet Robyn mit besorgtem Gesicht. »Ich weiß – wie wäre es mit einer Schröpfkur?«
»Einer Schröpfkur?« , rufe ich entgeistert.
»Oder ein paar Tinkturen?«, fährt sie fröhlich fort. »Die Wirkung ist unglaublich.«
»Du kannst mich nicht einfach mit ein paar ollen Kräutern abspeisen«, erkläre ich bestimmt. »Denk dran, schließlich habe ich Harold für dich ausfindig gemacht.«
»Das ist Erpressung«, japst sie.
»Weiß ich«, entgegne ich ungerührt.
Worauf sie sich eine Locke hinters Ohr streicht, mich eingehend mustert, als müsse sie scharf über so einiges nachdenken, und schließlich vorsichtig nachfragt: »Du magst diesen Kerl wirklich sehr, hm?«
»Ja«, antworte ich leise. »Ich mag diesen Kerl wirklich sehr.«
Zufrieden nickt sie mir kurz zu. »Ich hole nur schnell einen Stift.«
Den restlichen Tag verbringe ich in einem angespannten Zustand nervöser Erwartung bezüglich dessen, was Wakanda mir wohl zu sagen hat. Normalerweise braucht man einen Termin, aber in Notfällen macht sie auch schon mal eine Ausnahme und schiebt einen dazwischen. Also habe ich mir überlegt, nach der Arbeit hinzugehen und sie anzuflehen, mir eine Audienz zu gewähren oder wie auch immer man das bei Wahrsagerinnen nennt. Telefonnummer hat Robyn keine, nur die Adresse, die sie mir gegeben hat, zusammen mit dem guten Rat, offen und unvoreingenommen in die Sitzung zu gehen und mich nicht davon beunruhigen zu lassen, wenn sie anfängt zu channeln und in »fremden Stimmen« zu sprechen.
»Fremde Stimmen?«, frage ich neugierig. »Was denn für fremde Stimmen?«
»Stimmen halt«, hatte Robyn ganz beiläufig geantwortet. »Du weißt schon, von verschiedenen Geistführern.«
Ehrlich gesagt, nein, das weiß ich nicht, aber ich bin bereit, meine Zweifel und meinen Zynismus an der Garderobe abzugeben und mir eine eigene Meinung zu bilden. In meiner gegenwärtigen Lage würde ich mich auf so ziemlich alles einlassen, und wenn ich dafür einer Hellseherin einen Haufen Geld in die Hand drücken muss, dann werde ich das, verdammt noch mal, eben tun.
»Also, wo muss ich jetzt lang?«
Nachdem ich aus der U-Bahn gekommen bin, stehe ich
nun ratlos an einer Straßenecke. Einer detaillierten Wegbeschreibung einschließlich eines Ausdrucks von MapQuest zum Trotz habe ich mich heillos verlaufen und nun Robyn angerufen, damit sie mir weiterhilft.
»Geh einfach nach Osten«, versucht sie mir zu erklären.
»Osten? Woher soll ich denn wissen, wo Osten ist?«, meckere ich frustriert. »Und jetzt sag nicht, gegenüber von Westen.«
Ungeduldig fummele ich an meinem Faltplan herum, drehe ihn, stelle ihn auf den Kopf, schließlich laufe ich, das Handy noch immer unters Kinn geklemmt, einfach los.
»Und, weißt du jetzt, wo du langgehen musst?«, fragt sie nach kurzem Schweigen.
»Sozusagen«, flunkere ich und hoffe einfach, dass die Richtung stimmt.
»Am Ende der Straße ist ein Waschsalon, und gleich daneben gibt es einen Schuhladen mit einer ganz komischen violetten Markise.«
»Oh, die sehe ich!« Die violette Markise fest im Blick, lege ich einen Zahn zu.
»Nummer dreiundvierzig«, sagt Robyn im Hintergrund. »Sie hat ein silbernes Schild an der Tür.«
»Ja, bin gleich da.« Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen und ganz kirre vor Aufregung. Hätte mir jemand vor ein paar Monaten gesagt, dass ich zu einer Wahrsagerin gehe, ich hätte ihn ausgelacht und ihm kein Wort geglaubt. Andererseits hätte ich vor ein paar Monaten so einiges nicht geglaubt, sage ich mir und versuche meinen schmerzenden
Weitere Kostenlose Bücher