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Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Titel: Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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noch in hundert Jahren am Hacken haben, wenn ich mir nicht bald was einfallen lasse, und zwar schnell! Mir wird angst und bange, als ich durch die gepflasterten Sträßchen loslaufe. Ich bin für alle Ewigkeiten mit meinem Exfreund verbandelt. Ich werde eine verschrumpelte alte Jungfer, die noch auf dem Totenbett versucht, ihren Ex endlich loszuwerden. Auf einmal blitzt vor meinem inneren Auge ein erschreckendes Bild auf: wie ich mit letzter Kraft »Schluss! Aus!« ächze und Nate als verknöcherter, besserwisserischer, zahnloser Junggeselle, kahl wie eine Billardkugel, in seinen Scherz-Boxershorts dasteht und zurückkrächzt: »Nein, ich bin hier derjenige, der mit dir Schluss macht!«
    Schaudernd verbanne ich dieses Schreckenszenario aus meinem Kopf. Wenn das so weitergeht, verpfuscht der mir mein ganzes restliches Leben, denke ich panisch. Auf einmal sehe ich Adams Gesicht vor mir – wie fröhlich und aufgekratzt er neulich Abend im Kino gewesen war und wie verletzt er nicht viel später in meiner Küche gestanden hatte, als Nate so unvermittelt hereingeplatzt war. Und ich werde Nates Leben auch verpfuschen, denke ich seufzend und muss an das Telefongespräch mit Beth denken. Nate wird keine Gelegenheit bekommen, es wiedergutzumachen, weil sie ihn bestimmt im Leben nicht mehr zurückhaben will.
    Weil er immer noch bei mir ist .
    Ein kalter Schauer erfasst mein Herz. Wir bleiben für alle Zeiten miteinander verbunden, wie siamesische Zwillinge.
    Wo immer ich auch hingehe, er taucht dort bestimmt auf. Und umgekehrt genauso. »Du bist meine bessere Hälfte« wird für uns keine romantische Liebeserklärung aus einer sentimentalen Herz-Schmerz-Schnulze mehr sein, sondern eine Horrorvorstellung aus unseren schlimmsten Alpträumen. Wir werden eins dieser Paare, von denen man manchmal in der Zeitung liest; die seit sechzig Jahren zusammen sind und noch keine Nacht getrennt waren und bei denen man immer denkt: »Ach, was für eine rührend romantische Liebesgeschichte.«
    Doch niemand wird die ganze Wahrheit kennen.
    Dass es nämlich gar keine Liebesgeschichte ist; es ist eine Horrorstory.
    Vielleicht geht es ja manchen dieser Paare genauso, denke ich alarmiert. Vielleicht haben diese Vorzeigepärchen aus der Zeitung ja auch die letzten sechzig Jahre verzweifelt versucht , mal eine Nacht getrennt voneinander zu verbringen, und träumen davon, eines Tages die Bettdecke ganz für sich allein zu haben. Vielleicht haben diese Paare sich auch in Venedig unter einer Brücke geküsst und versuchen nun schon ihr ganzes Leben lang, den anderen wieder loszuwerden.
    Okay, jetzt hör sofort auf damit, Lucy. Das ist ja völlig paranoid.
    Ich biege um eine Straßenecke, und auf einmal bin ich mitten im Touristengetümmel. Und erst da merke ich, dass ich unversehens auf dem Markusplatz gelandet bin. Ich bleibe kurz stehen und schaue mich um, und plötzlich sind alle trüben Gedanken verflogen, und ich stehe staunend vor der Schönheit und Anmut dieser unglaublichen Stadt, Venedig. Wie das Sonnenlicht vom Kopfsteinpflaster zurückgeworfen wird, wie zwischen den vielen Menschen plötzlich ein kleiner
Streifen Wasser glitzert, der herrliche Geruch nach Espresso, Aftershave und Zigarettenrauch, das leidenschaftliche italienische Stimmengewirr mit der wunderbaren Sprachmelodie, das in meinen des Italienischen nicht mächtigen Ohren immer klingt, als spielte jemand Tonleitern auf dem Klavier.
    Himmel, ich liebe diese Stadt. Ich hatte ganz vergessen, wie sehr ich Venedig mag, so lange ist das schon her. Wie auf einem alten, mit den Jahren ausgeblichenen Foto sind auch meine Erinnerungen an die Stadt langsam verblasst. Im Laufe der Jahre ist sie fast zur Kulisse verkommen für die Geschichte meiner Romanze mit Nate. Es kam mir beinahe vor, als hätte Venedig, kaum waren wir fort, den Betrieb eingestellt, als hätte es aufgehört zu existieren. Fast, als sei es nur für uns aufgebaut worden, als Bühne für unsere Liebesgeschichte, bis wir wieder zurück aufs College mussten, woraufhin es sich heimlich, still und leise wieder zusammengeklappt hat und ordentlich weggeräumt wurde.
    Angesichts dieser naiven Arroganz muss ich über mich selbst lächeln. Damals als junge Studentin schien es mir, als hätte noch niemand vor mir Venedig entdeckt, als seien Nate und ich die Einzigen, die sich je im Gewirr der Kanäle, verschlungenen Piazze und dem Labyrinth der Sträßchen und Gässchen ineinander verliebt haben. Niemand hatte je so empfunden wie wir

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