Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
»wunderbar« deklarierte, mir eine kleine Gardinenpredigt hielt, mein Licht so lange unter den Scheffel gestellt zu haben, und mir meine erste Ausstellung anbot.
Wobei, ich sage zwar »anbot«, aber es war eher so, dass sie darauf bestand und ich nur sprachlos dastand und grinste wie eine Wahnsinnige. Was ich in letzter Zeit überhaupt häufig tue. Ich laufe die Straße entlang, und urplötzlich muss ich daran denken, dass ich eine Ausstellung bekomme – ich , Lucy Hemmingway –, und schon fange ich an zu grinsen wie blöde. Was mir bereits jede Menge schiefer Blicke eingebracht hat. Ich bin mir ganz sicher, die meisten New Yorker müssen mich für eine arme Irre halten.
Aber das ist mir egal. Endlich lebe ich meinen Traum, und bin so glücklich wie noch nie. Ich habe sogar vor, bald nur noch halbtags in der Galerie zu arbeiten, damit ich mehr Zeit
zum Malen habe. Wer weiß, was noch alles passiert? Es ist alles ein bisschen beängstigend, wenngleich auch furchtbar aufregend, und dieses komische ungute Gefühl ist spurlos verschwunden. Dieses Gefühl, dass irgendwas fehlt. Denn ich habe es endlich gefunden, und noch viel mehr, denke ich mit einem Seitenblick auf Adam, der eine meiner Skizzen betrachtet, den Arm noch immer fest um meine Taille gelegt. Der lebende Beweis, dass Träume manchmal eben doch wahr werden.
»Gut gemacht, Schwesterherz!«
Ich wirbele auf dem Absatz herum, und da stehen meine Schwester und Jeff. Zumindest glaube ich, dass es meine Schwester ist, denn sie hat nur noch entfernte Ähnlichkeit mit der Kate, die ich kenne. Verschwunden ist der fahle Teint – ihr Gesicht ist braun gebrannt und mit Sommersprossen übersät –, und ihr tadelloser Bob ist verstrubbelt und von beinahe weißblonden Strähnchen durchzogen. Und was noch krasser ist, statt schickem Businesskostüm und Highheels trägt sie ein blassblaues Seidenkleid und Flipflops. Und hat sie da etwa silbernen Nagellack auf den Zehen?
»Ihr seid wieder da!«, japse ich verdattert.
»Gerade heute Morgen aus Bali eingeflogen«, antworten sie und grinsen aufgekratzt.
»Wie war’s?«
»Fantastisch. Du musst uns unbedingt besuchen und dir die Fotos ansehen«, meint Jeff begeistert. Er strahlt nur so vor Gesundheit und Glück. »Das von deiner Schwester beim Bungeejumping in Neuseeland ist der Hammer.«
»Kate? Beim Bungeejumping?« Staunend schaue ich die beiden an. »Wobei, wenn ich es mir so überlege, bist du dir sicher , dass du meine Schwester bist?«, witzele ich und beäuge sie misstrauisch, worauf Kate mir gutgelaunt einen kleinen Klaps gibt.
»Kribbelwasser?«
Wir werden von Magda unterbrochen, die sich mit einem Tablett voller Champagnerkelche auf uns stürzt. Trotz eines ganzen Schwarms Kellnerinnen lässt sie es sich nicht nehmen, selbst die Getränke zu servieren. »Möchte jemand Kribbelwasser?«
So eine Frage braucht keine Antwort, und so drückt sie einfach jedem von uns ein Glas in die Hand. Ich glaube, ich habe sie noch nie so fröhlich und gelöst erlebt. Nicht nur, dass ihre Galerie gerettet ist, sie sich eine mondäne neue Wohnung zugelegt hat und die heißeste Ausstellung der ganzen Stadt veranstaltet, nein, sie hat sich auch noch eine Runderneuerung inklusive Brauenlifting, Fettabsaugen und Lippenimplantaten gegönnt.
Anscheinend hatte Dr. Rosenbaum ein Supersonderangebot: Drei-Eingriffe-zum-Preis-von-zwei. Magda mag zwar jetzt Millionärin sein, aber zu so einem Schnäppchen kann sie einfach nicht Nein sagen.
»Wie geht es Ihnen?«, erkundigt Kate sich höflich. »Sie sehen toll aus.«
»Mir geht es wunderbar, wunderbar!«, tönt Magda strahlend und legt sofort mit der Geschichte um die wundersame Rettung des Tizian los, die, wie all ihre Storys, inzwischen ein Eigenleben entwickelt hat und so überspitzt ist, dass sogar die Mafia und eine vereitelte Entführung darin vorkommen.
»Wow, das ist ja so cool!«, trompetet Robyn, die gerade hereinschneit und mich davor bewahrt, mir zum x-ten Mal Madgas Geschichte anhören zu müssen. Sie fällt mir zur Begrüßung um den Hals und drückt mich fest. »Ich bin so stolz auf dich.«
»Danke.« Ich lächele und werde ein bisschen rot.
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich so eine talentierte Mitbewohnerin habe. Bald Ex-Mitbewohnerin«, korrigiert sie
sich und strahlt Adam und mich an. Mir wird ein bisschen kribbelig vor Aufregung. Wie gesagt, es hat sich einiges getan, seit ich aus Venedig zurückgekommen bin, und dazu gehört auch, dass Adam und ich uns
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