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Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Titel: Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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die Flamme der Duftkerze aufflackert und der rotgoldene Sari, den ich als Vorhang benutze, sich bauscht. Als der schimmernde Stoff im Wind weht und tanzt, läuft es mir plötzlich eiskalt den Rücken herunter, und für den Bruchteil einer Sekunde schweift meine Fantasie aus …
    Und dann, genauso plötzlich, wie sie gekommen ist, legt sich die Brise wieder, und meine Fantastereien erlöschen wie eine Kerze im Wind.
    »Sei nicht albern«, erwidere ich scharf. »Das liegt bloß daran, dass ich so ein Schussel bin und immer alles verlege. Dauernd verliere ich Sachen.«
    Aber innerlich bin ich ganz kribbelig. Also ehrlich, was ist denn bloß in mich gefahren? Du bist nur nervös wegen heute Abend, sage ich mir streng. Daran liegt’s. Flatterige Nerven können einen auf alle möglichen dummen Gedanken bringen.
    »Egal, es gibt Wichtigeres«, erkläre ich barsch und stopfe den Münzanhänger in meine Handtasche.
    »Oh, du meinst, wie sein Sternzeichen zum Beispiel?«, ruft Robyn begeistert. »Sag nichts, ich wette, er ist Widder.«
    »Nein«, entgegne ich und schnappe mir einen Haufen achtlos
hingeworfener Klamotten. »Wie zum Beispiel die Frage, was ich heute Abend anziehe.«
     
    Eine Stunde später habe ich alles anprobiert, was mein Kleiderschrank hergibt, was nicht besonders viel ist, weil ich anscheinend eine Aversion gegen Kleiderbügel habe und lieber alles über die Stuhllehne drapiere, statt meine Kleider tatsächlich an die dafür vorgesehene Stange zu hängen. Dazu kommen dann noch die ganzen Sachen, die völlig verknittert und zerknüllt am Fußende des Bettes landen, wenn die Stuhllehne mal wieder heillos überhäuft ist. Und außerdem sämtliche Kleider von Robyn, auch wenn die einen halben Kopf kleiner ist als ich und ein großer Fan von Batikstoffen.
    Und ich laufe immer noch im Bademantel rum.
    »Mein Gott, was soll ich bloß anziehen?«, jaule ich verzweifelt zum hundertzwanzigsten Mal.
    »Wie wäre es denn damit?«, meint Robyn munter.
    Ganz ehrlich, diese Frau ist ein Phänomen. Jetzt weiß ich auch, warum sie auf dem College ins Cheerleaderteam genommen wurde. Selbst im Angesicht einer vernichtenden Niederlage bleibt sie bewundernswert optimistisch.
    »Sieht toll aus zu Leggins.«
    Ich halte in der Durchforstungsaktion eines Riesenstapels von Oberteilen inne, die allesamt urplötzlich mit Faserknötchen übersät sind oder mysteriöse Flecken auf der Brust aufweisen oder in der letzten Wäsche eingelaufen sind. Ich schaue zu ihr rüber. Lächelnd hält sie ein fieses lila Batik-Kittelkleid in die Höhe, das genauso aussieht wie sämtliche anderen Kleidungsstücke, die sie mir bisher aus ihrer umfangreichen Hippie-Garderobe gezeigt hat.
    »Sehr hübsch, aber …«
    »Aber was?«
    »Mit dem Batikmuster bin ich mir nicht so sicher«, erkläre
ich vorsichtig. Und mit der Tatsache, dass es aussieht wie ein riesiges, unförmiges lila Zelt, habe ich außerdem ein Problem, denke ich bei mir.
    »Was hast du denn gegen Batikmuster?«
    Nichts, jedenfalls nichts, was ich laut aussprechen möchte , will ich am liebsten entgegnen, aber ich darf nicht ausfallend werden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Amerikanern, die ich bisher kennengelernt habe, unternimmt Robyn in ihrem Urlaub ausgedehnte Fernreisen in die entlegensten Winkel der Erde, und ihre Garderobe ist ein eindrucksvoller Beweis dafür, wie viel sie schon herumgekommen ist. Vergessen Sie die exklusiven Boutiquen der noblen Einkaufsmeilen, sie trägt eine eklektische Mischung aus bestickten Seidenstoffen, die sie in winzigen chinesischen Bergdörfern erstanden hat, handgewebten Jacken afrikanischer Stämme und weiten, flatternden Fischerhosen aus Thailand. Und dazu jede Menge Gebatiktes aus Indien. Neulich habe ich einen Blick auf ihre zum Trocknen aufgehängte Unterwäsche erhascht und gesehen, dass sogar die gebatikt ist.
    »Man muss schon ein ganz besonderer Mensch sein, um das tragen zu können. Ich meine, an dir sieht es fantastisch aus«, sprudelt es aus mir heraus, und ich sehe, wie Robyn bei diesem Kompliment zart errötet, »aber ich glaube, ich brauche etwas …« Verzweifelt ringe ich um die richtigen Worte. »… das etwas ausstrahlt.«
    »Aha, verstehe«, meint Robyn mit einem nachdenklichen Nicken. Im Schneidersitz hockt sie auf meinem Bett, kräuselt konzentriert die Nase, und der winzig kleine Stecker in ihrem Nasenflügel funkelt im Schein der Lichterkette. »Und was soll es genau ausstrahlen?«
    »Weiß ich auch nicht so genau.

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