Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
ich alles, natürlich völlig durcheinander und in der falschen Reihenfolge, und sie stellt hunderttausend Fragen und versucht dann, sich alles zusammenzureimen, während ich schnell unter die Dusche springe und mein Schönheitsprogramm beginne.
»Warte mal, heißt das, er ist nicht mehr verheiratet?«
»Getrennt und lässt sich gerade scheiden«, erkläre ich, wobei ich mir die Haare mit dem Handtuch zu einem Turban zusammenwickele und in mein Schlafzimmer tappe. Ich knipse die Lichterkette an meinem Schrank an und entzünde eine Duftkerze.
»Und er ist gerade nach New York gezogen?«
»Aus L. A., ja genau. Er dreht hier irgend so eine Fernsehsendung. Er ist Produzent«, füge ich mit kaum verhohlenem Stolz hinzu.
»Was macht denn ein Produzent?«, fragt Robyn, die gerade versucht, ein Eckchen auf meinem Bett zum Hinsetzen freizuräumen, nur um schließlich erfolglos aufzugeben und sich einfach auf den ganzen Kram draufzusetzen.
»Ähm … produzieren.« Achselzuckend greife ich nach der Feuchtigkeitscreme. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ein Produzent eigentlich macht, aber es klingt beeindruckend. »Ach herrje, Robyn, es war einfach umwerfend«, seufze ich und tupfe mir kleine Cremekleckse auf die Wangenknochen. »Er war umwerfend.«
»Wow, das ist ja so romantisch.« Sie seufzt verträumt.
»Ich weiß.« Nickend ziehe ich mir das Handtuch aus den Haaren und schlüpfe in meinen alten Bademantel voller Faserknötchen. »Weißt du was, er hat mich gefragt, ob ich an Seelenverwandtschaft glaube.«
»Hat er nicht!«
»Hat er wohl.«
Wir schauen uns an. Robyn sieht aus, als sei sie gestorben und im Himmel gelandet. »Mensch, Lucy«, ruft sie, das Gesicht gerötet vor Freude. »Ich habe dir doch gesagt, du musst nur fest daran glauben. Mehr braucht es gar nicht …« Sie bricht ab und windet sich unbehaglich. »Autsch, ich glaube, ich sitze auf was Spitzem.« Sie verzieht das Gesicht und greift unter die gesteppte Tagesdecke. »Was ist das denn?«
»Ich weiß es nicht. Was ist es denn?«, murmele ich geistesabwesend, ohne hinzusehen. Nachdem ich in meiner Unterwäscheschublade eine Pinzette ausgegraben habe, mache ich mich energisch an meinen Augenbrauen zu schaffen.
»Ähm … sieht fast aus wie ein Anhänger, glaube ich.«
»Ach, dann wirf es einfach zu meinem anderen Schmuck.« Womit ich vage in Richtung meines Frisiertischs weise, auf dem ein wildes Durcheinander aus Nagellackfläschchen, losem Kleingeld und etlichen Skizzenbüchern herrscht. Ich mache mir einen Vermerk auf meine imaginäre To-do-Liste, endlich aufzuräumen, wenn ich mal einen Augenblick Zeit habe. Nur dass dieser Augenblick, wie es scheint, irgendwie nie kommt.
»Sieht aus wie ein Stück von einer Münze.«
Mitten im Auszupfen erstarre ich zur Salzsäule. Moment mal, das kann doch nicht …
»Wo ist es?«, japse ich und wirbele mit hektisch hämmerndem Herzen auf dem Absatz herum.
Robyn sieht mein Gesicht, und plötzlich fällt bei ihr der Groschen.
»Oh, wow, ist das …?«
»Mein Amulett«, keuche ich und fange die Kette auf, als sie ihr durch die Finger gleitet. Ungläubig fahre ich mit dem Daumen über die gezackte Bruchkante. »Ich dachte, das hätte ich schon vor Jahren verloren. Wo hast du es gefunden?«
»Genau hier unter mir, auf dem Bett.«
»Aber das ist unmöglich.« Meine Gedanken gehen wild durcheinander. Ich bin vor gerade mal sechs Wochen nach New York gezogen, und es ist ausgeschlossen, dass dieses Ding in meinem Koffer war. Okay, meine Art zu packen ist nicht so sehr die geordnete Methode als vielmehr ein wahlloses Hineinwerfen, aber trotzdem, mir wäre doch aufgefallen, wenn eine Halskette dabei gewesen wäre, die ich vorher jahrelang
nicht mehr gesehen habe. Ganz besonders diese Kette. »Ich meine, solche Sachen tauchen doch nicht einfach so von selbst wieder auf«, murmele ich und schüttele ungläubig den Kopf.
Verdattert schaue ich Robyn an und erwarte eigentlich, dass sie genauso perplex ist wie ich, aber nein, ihre Augen funkeln vor freudiger Aufregung. »Verstehst du das denn nicht? An der Legende ist was dran«, säuselt sie, während sich ein entrücktes Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitet.
»Wie bitte?«, frage ich stirnrunzelnd vor Verwirrung, weil ich keinen Schimmer habe, was sie damit meint.
»An der Legende der Seufzerbrücke«, entgegnet sie ungeduldig. »Alles ist so eingetroffen!«
Und gerade, als sie das sagt, weht eine warme Brise durchs offene Fenster herein, in der
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