Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Titel: Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
Vom Netzwerk:
meinem trotzigen Hochgefühl die Luft
aus, und für den Bruchteil einer Sekunde will ich ihn einfach anrufen oder ihm eine SMS schicken. Aber dann lasse ich es doch lieber sein. Ich weiß, vielleicht hat er mir ja schon gesimst. Womöglich habe ich es einfach nicht gehört. Ein kleiner Hoffnungsschimmer flackert auf, während ich hastig das Handy herausangele und auf das Display linse.
    Nichts. Keine SMS. Kein entgangener Anruf. Gar nichts.
    Einen Moment starre ich bloß ungehalten auf das Telefon. Um es dann einfach kurzerhand abzuschalten. Sonst gucke ich doch nur alle fünf Minuten drauf.
    Entschlossen stopfe ich es in meine Handtasche und trinke einen großen Schluck Kaffee. Ich brauche jetzt irgendwas, das mich ein bisschen aufmuntert. Wie die mit braunem Packpapier eingewickelten und verschnürten Päckchen, die Julie Andrews mal in einem Lied besungen hat. Bloß dass zu meinen Lieblingsdingen nicht Regentropfen auf Rosenblüten gehören, sondern Kunstgalerien und Museen. Ich brauche nur hineinzugehen, und schon ist es ein Ding der Unmöglichkeit für mich, traurig oder bedrückt zu sein. Umgeben von so viel Kreativität scheinen meine Probleme plötzlich klein und unwichtig und ganz weit weg zu sein, und im Nu ist alles andere vergessen. Es ist, als wäre ich wieder ein Kind.
    Ich kann gar nicht mehr zählen, wie viele Stunden, ach was, Tage und Wochen ich damals, als ich noch in London lebte, in der National, der Portrait Gallery und der Tate Modern verbracht habe. Und vorher, als ich noch in Manchester wohnte, war die Städtische Kunstgalerie mein liebster Zufluchtsort. Kunstgalerien sind für mich, was Manolo Blahniks für Carrie Bradshaw sind. Ich gehe hin, wenn ich glücklich bin, und ich gehe hin, wenn ich traurig bin. Wenn ich einsam bin oder alleine sein will. Ganz zu schweigen davon, dass es das perfekte Mittel gegen Liebeskummer ist. Vergessen Sie Bridget Jones und ihren Chardonnay, mir ist ein Rothko tausendmal lieber.
    Wie heute zum Beispiel. Also beschließe ich spontan, einen kleinen Abstecher ins Museum zu machen. Und wo könnte man das wohl besser als in New York? Die Stadt wimmelt schließlich nur so von Museen und Galerien. Einige habe ich schon besucht, seit ich hierhergezogen bin, aber angesichts der schieren Menge habe ich im Grunde genommen noch nicht mal richtig angefangen. Und außerdem wollte ich mir das Highlight für eine besondere Gelegenheit aufsparen: das Museum of Modern Art, zweifellos die beste Galerie der Welt für moderne Kunst.
    Mir wird ganz kribbelig vor Aufregung. Ja, genau, da will ich hin. Tolle Idee! Frohgemut mache ich mich auf den Weg. Doch dann geht mir plötzlich auf, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, wo ich eigentlich hinmuss.
    Abrupt bleibe ich mitten auf dem Bürgersteig stehen und fange an, in meiner Handtasche rumzukramen. Schließlich angele ich meinen Stadtführer heraus und schlage die Adresse nach: »11 West 53rd Street, zwischen Fifth und Sixth Avenue«. Na, das ist doch ein Kinderspiel.
    Quasi.
    Verunsichert bleibe ich stehen. Ich glaube, ich muss da lang … aber es könnte auch da lang sein … oder sogar da drüben lang. Mist. Gerade überlege ich ernsthaft, meinen »Nie ohne Seife waschen«-Spruch aufzusagen, lasse es dann aber doch bleiben. Ich weiß noch zu gut, wie das beim letzten Mal endete.
    »Haben Sie vielleicht ein bisschen Kleingeld?«
    Eine Stimme unterbricht meine Gedankengänge, und als ich aufschaue, sehe ich einen Obdachlosen, der auf einem Stück Pappkarton sitzt und ein Bier trinkt. Er streckt mir einen ziemlich ramponierten Styroporbecher entgegen, in dem ein paar Vierteldollarmünzen klingeln.
    »Oh, ja, klar …« Hastig drehe ich meine Hosentaschen auf
links und finde einen Eindollarschein, den ich in seinen Becher stopfe. »Übrigens, wissen Sie zufällig, wie ich zum Museum of Modern Art komme?«
    Okay, ich weiß, es ist ziemlich unwahrscheinlich, aber trotzdem.
    Unter buschigen Augenbrauen hervor beäugt er mich kurz, dann brummt er: »Sie meinen das MoMA?«
    »Oh, ähm … ja, das MoMA.«
    Beurteile du noch mal einen Menschen nach seinem Äußeren, Lucy Hemmingway.
    »Mal sehen …« Er kratzt sich den langen, verwahrlosten Bart.
    »Da rüber vielleicht?«, frage ich hoffnungsvoll und weise auf die gegenüberliegende Straßenseite.
    Er guckt mich an, als hätte ich sie nicht alle. »Nein, da rüber«, krächzt er heiser und zeigt in die entgegengesetzte Richtung. »Ist bloß ein paar Blocks da runter, und dann

Weitere Kostenlose Bücher