Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
gekauft?« Ungläubig starre ich das Ticket an. Es sieht echt aus. »Sie haben allen Ernstes zwanzig Dollar ausgegeben, um sich eine Kunstausstellung anzuschauen?«
Ich bin tief beeindruckt. Womöglich habe ich ihn falsch eingeschätzt. Womöglich ist er gar kein Absahner.
»Ich habe nicht gesagt, dass ich die Karte gekauft habe«, korrigiert er mich. »Ich sagte, ich habe eine Karte.«
»Die Sie aber nicht bezahlt haben.«
»Nein, die habe ich umsonst bekommen. Ein Freund hat sie mir geschenkt.«
»Aha, hätte ich mir ja denken können«, erwidere ich, und damit ist meine kleine Welt wieder im Lot. »Aber Sie wissen, dass es hier keine Häppchen und keinen Gratis-Champagner gibt«, kann ich mir nicht verkneifen hinterherzuschieben.
Worauf er mich leicht gekränkt anguckt. »Mir geht’s nicht immer bloß ums Durchfuttern und um Freigetränke.«
»Was denn, sind Sie tatsächlich der Kunstausstellung wegen hierhergekommen?«, ätze ich sarkastisch.
»Ehrlich gesagt, nein. Ich bin wegen der kostenlosen Filme hier.«
»Der kostenlosen Filme?« Einen Moment lang glaube ich, er muss sich im Gebäude geirrt haben.
»Momentan gibt es hier eine Tim-Burton-Retrospektive. Sie zeigen einige seiner früheren Arbeiten. Sie wissen schon, wie Edward mit den Scherenhänden , Ed Wood , Big Fish … «
Entgeistert starre ich ihn an. »Sie sind hier, um kostenlos Filme zu gucken?«
»Nicht bloß irgendwelche Filme«, entgegnet er beinahe ein bisschen beleidigt. »Filme von einem der größten Regisseure aller Zeiten. Ich meine, der Mann ist ein Genie, wie er filmt, seine Kameraführung, wie er immer wieder an die Grenzen des Mediums geht.«
»Aber wir sind hier im MoMA«, keuche ich fassungslos.
»Na und?«, gibt er achselzuckend zurück.
»Sie wollen mir also allen Ernstes sagen, dass Sie sich keinen einzigen Dalí oder Rothko oder Pollock angeschaut haben.«
Er guckt mich bloß verständnislos an.
»Das sind Maler«, erkläre ich trocken.
»Ach, habe ich mir fast gedacht.« Verlegen grinst er mich an. »Tja, wo Sie offensichtlich so viel davon verstehen, wollen Sie mich da nicht ein bisschen rumführen?«
Auf so einen Vorschlag bin ich überhaupt nicht gefasst. Kommt mir fast vor, als wolle er mich zu einer Mutprobe herausfordern.
»Und wenn nicht?«
»Dann gehe ich jetzt gleich nach Hause und haue mich ein bisschen aufs Ohr.« Er gähnt und streckt sich.
Ich schwanke. Einerseits wäre es mir lieb, er würde sich einfach trollen. Es war so schön, allein durchs Museum zu tigern, und das Letzte, was ich jetzt brauche, ist, ihm alles zeigen zu müssen. Aber andererseits kann ich ihn nicht einfach nach Hause gehen lassen, ohne dass er sich auch nur ein einziges dieser großartigen Gemälde angeschaut hat. Das wäre ein Verbrechen.
Und um es noch mal klar und deutlich zu sagen: Das war der einzige Grund. Es hat rein gar nichts zu tun mit dieser seltsamen Mischung aus Freak und Frechdachs. Oder dass ich ihn irgendwie faszinierend finde. Oder mit seinen großen blauen Augen mit den wahnsinnig langen Wimpern.
Es geht hier nur um die Kunst. Ende der Diskussion. Punkt.
»Okay, folgen Sie mir unauffällig.«
»Das hier heißt Die Beständigkeit der Erinnerung und ist eine der bekanntesten surrealistischen Arbeiten, weil in diesem Gemälde zum ersten Mal das Motiv der schmelzenden Uhren eingeführt wird, die die Bedeutungslosigkeit der Zeit symbolisieren.«
Gemeinsam stehen wir vor einem Gemälde von Salvador Dalí, und ich drehe mich zu meinem wissbegierigen Schüler um. Adam, wie er mir noch mal seinen Namen nannte, nur für den Fall, dass ich ihn vergessen haben sollte.
Hatte ich nicht.
»Wow, sehr beeindruckend.«
»Ja, unglaublich, oder?«, hauche ich mit strahlenden Augen.
»Du stehst wirklich auf dieses Zeug, was?«
Ich merke, wie meine Wangen hochrot anlaufen. »Okay, ich geb’s zu, manchmal geht meine Begeisterung ein bisschen mit mir durch.«
»Ein bisschen?«, fragt er grinsend.
Ich lächele etwas verlegen.
»Und wie kommt’s, dass du so viel über Kunst weißt?«
»Weil es immer schon meine große Leidenschaft war, schon als ich noch ein kleines Mädchen war und mit Fingerfarbe gemalt habe. Damals habe ich vorzugsweise die Wände im Wohnzimmer meiner Eltern als Leinwand benutzt.« Beim Gedanken daran muss ich grinsen.
»Warst du denn auf einer Kunsthochschule?«
Ich nicke. »In der Schule war ich immer schrecklich schlecht, ich habe sämtliche Prüfungen versiebt, außer der in Kunst, aber
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