Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
erklärt sie etwas aufgebracht. »Das ist sehr wichtig.«
»Oh, verstehe«, sage ich und nicke. Wow, ich wusste ja gar nicht, dass Robyn so vernünftig ist. »Du meinst, Rücklagen und Rentenfonds und so?«
»Ja, so was in der Art«, entgegnet sie ausweichend. »Aber egal, was machst du denn heute Abend?«, fragt sie und lenkt damit das Gespräch geschickt wieder auf mich.
Was ebenfalls höchst verdächtig ist. Robyn lässt nie, ich wiederhole, nie eine Gelegenheit aus, über sich selbst zu reden.
»Nicht weit von hier eröffnet eine neue Galerie. Ich dachte, da schaue ich nach dem Training mal vorbei.«
»Oh, klingt prima«, sagt sie begeistert.
»Und du willst ganz sicher nicht mitkommen?«
Auf der Stelle wird sie stocksteif. »Ähm, nein, ich habe zu tun«, stammelt sie und weicht meinem Blick aus. Ein schrilles Piepsen ertönt, und sie guckt auf das Bedienfeld ihrer Maschine. »Ach, schau mal, ich bin fertig! Puh!« Ein erleichtertes Grinsen erscheint auf ihrem Gesicht, als das Gerät allmählich langsamer wird. »Ich glaube, jetzt gehe ich noch ins Dampfbad.«
Mit zittrigen Knien steigt sie rasch von der Maschine und
stolpert dabei fast. Und das, obwohl sie mir vorhin noch von ihrer Besteigung des Machu Picchu erzählt und erklärt hat, »wenn man erst mal sieben Stunden in dieser Höhe gewandert ist, ist alles andere ein Klacks dagegen«.
Ja, klar. Die Inkas mögen zwar Machu Picchu erbaut haben, aber offensichtlich haben sie noch nie was von Equilibrium gehört.
»Ich komme gleich nach«, nicke ich heftig keuchend. »Ich will noch ein paar Minuten dranhängen.«
Was erstunken und erlogen ist. Ich will eigentlich nur noch auf meinem Sofa kollabieren und Eiscreme in mich reinschaufeln, aber das Bild meines geklauten Hinterteils hält mich davon ab.
»Okay, na dann, bis gleich«, sagt sie, schnappt sich schnell CD-Spieler und Batikhandtuch und stolpert von dannen. »Viel Spaß.«
Spaß? Das hier soll Spaß machen?
Mir hämmert das Herz in der Brust wie ein Schlagbohrhammer, während ich feindselig den Crosstrainer beäuge. Mir kommen jede Menge Worte in den Sinn, um meine Erfahrungen der letzten zwanzig Minuten zu beschreiben, aber »Spaß« gehört sicher nicht dazu.
Folter, Höllenqualen, tödliche Langeweile, bitte lass es endlich aufhören. Ach nein, das sind ja schon mehr als fünf Worte, oder?
Zittrig wische ich mir die Schweißperlen von der Stirn, die langsam über mein Gesicht laufen, klammere mich fest an die Griffe und ignoriere tapfer das Gefühl in meiner Brust, meine Rippen könnten jederzeit zerbersten. Das hier ist gut für mich, sage ich mir streng. Es ist gesund.
Mein Blick fällt auf den Spiegel gegenüber. Meine Haare sehen aus wie ein durchweichter Helm. Mein Gesicht ist knallrot. Meine Augen sind blutunterlaufen und sehen aus, als
könnten sie jeden Moment aus den Höhlen fallen – fast wie in einem schlechten Zombiefilm. Ich glaube, ich habe noch nie in meinem Leben so ungesund ausgesehen. Und auch nicht so unattraktiv.
Gott sei Dank kennt mich hier niemand, denke ich, und bin heilfroh darüber. Manchmal hat es doch sein Gutes, neu in der Stadt zu sein. Man ist vollkommen anonym. Man läuft nicht ständig irgendwelchen Bekannten über den Weg.
Kaum ist mir dieser Gedanke durch den Kopf geschossen, als ich auch schon im Spiegel jemanden auf das Laufgerät neben mir steigen sehe.
Mir dreht sich der Magen um. Er schlägt einen Salto, als hätte mich gerade jemand aus dem Flugzeug geschubst. Ohne Fallschirm.
Oh Gott, nein. Bitte nicht. Das kann doch nicht …
Ist es aber.
Nate.
Im ersten Augenblick bin ich fest davon überzeugt zu halluzinieren. Das ist doch nicht möglich. Es gibt unglückliche Zufälle, und es gibt unglückliche Zufälle . Wie vor den Kopf geschlagen starre ich ihn an, wie er in T-Shirt und Shorts auf dem Gerät steht, aber mein Hirn weigert sich, die empfangenen Informationen zu verarbeiten.Will mich hier jemand verschaukeln? Bin ich bei Versteckte Kamera ? Schnell schaue ich mich um, bis mir aufgeht, wo ich bin und was ich da mache, und ich mich wieder zusammenreiße. Das ist reiner Zufall, schon vergessen? Ein leidiger Zufall, zugegeben, aber trotzdem nichts als Zufall.
Ich tue, als hätte ich ihn nicht gesehen, und verlangsame unauffällig die Geschwindigkeit meines Crosstrainers. Mit ein bisschen Glück kann ich mich rausschleichen, ehe er mich sieht, und mich unentdeckt aus dem Staub machen.
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie er sich
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