Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
ihn ignorieren.«
»Mache ich ja«, protestiere ich schnell. »Aber das ist gar nicht so einfach.«
»Na ja, keine Sorge, er geht sowieso gerade«, sagt sie und weist mit dem Essstäbchen über meine Schulter.
»Ehrlich?« Mir fällt ein Stein vom Herzen, als ich mich umdrehe und der Platz hinter mir leer ist und ich ihn zum Ausgang gehen sehe. »Ach, Gott sei Dank«, seufze ich, und mit einem Mal entspannt sich mein ganzer Körper. »Ihm einmal über den Weg zu laufen ist ja schon schlimm genug, aber zweimal? An einem Tag?«
»Pech«, erklärt Kate schlicht.
Nickend wende ich mich wieder meinem Essen zu, doch irgendwas nagt an mir. War es das? Bloß ein unglücklicher Zufall?
»Wobei es dafür natürlich auch noch einen anderen Grund geben könnte«, meint Kate.
»Und der wäre?«, frage ich, jäh aus meinen Gedanken gerissen.
»Er will dich zurückerobern.«
»Was? Indem er mich auf Schritt und Tritt verfolgt?«, frage ich stirnrunzelnd.
»Indem er dir ›rein zufällig‹ ständig über den Weg läuft«, korrigiert Kate mich. »Weißt du noch? Wie du damals bei Paul, der uns immer die Zeitung gebracht hat?«
Das hatte ich völlig vergessen – na ja, wohl eher verdrängt –, aber jetzt, wo sie mich daran erinnert, schaudert mich bei dem Gedanken. Mit zwölf war ich rettungslos in den Zeitungsjungen verliebt und ließ mir alles Mögliche einfallen, um ihm »zufällig« zu begegnen: Ich ging mit dem Hund spazieren, wenn er seine Zeitungsrunde machte, stand rein zufällig mit voller Absicht am Gartentor, wenn er vorbeikam, und schließlich verfolgte ich ihn sogar, wenn er mit seinem BMX-Rad die Zeitung ausfuhr. Es war einfach zu peinlich.
»Das würde Nate nie machen«, erkläre ich wegwerfend. »Der wollte die Trennung genauso sehr wie ich.«
»Bist du dir sicher, dass er das nicht bloß aus gekränkter Eitelkeit gesagt hat?« Kate guckt mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »›Ehe du mich abservierst, serviere ich dich ab‹?«
Ich runzele die Stirn, weil mir nun doch ein paar Zweifel kommen. Doch dann muss ich wieder an den Streit im Taxi denken. »Nein, glaub mir.« Entschieden schüttele ich den Kopf.
»Na ja, war ja auch nur ein Gedanke.« Sie zuckt die Achseln. »Noch ein bisschen Sake?«
Ich interpretiere da einfach zu viel rein. Nate dauernd über den Weg zu laufen ist zwar lästig, aber dafür gibt es keinen mysteriösen, geheimnisvollen Grund. Es ist einfach reiner Zufall.
»Ähm … ja bitte«, sage ich und halte ihr mein Glas hin.
Wie Kate schon sagte, einfach Pech.
Achtzehntes Kapitel
Am nächsten Morgen schaue ich mich auf dem Weg zur Arbeit trotzdem immer wieder misstrauisch um, und als ich mittags die Galerie verlasse, um unser Essen zu holen, trage ich meinen Kaffee ganz besonders vorsichtig, nur für den Fall der Fälle. Aber nein, kein Nate-am-iPhone kegelt mich um. Keine Nate-Sichtungen in irgendwelchen Restaurants. Ja, die ganze Stadt scheint plötzlich eine Nate-freie Zone zu sein.
Gut,ich muss gestehen, ein paarmal glaube ich in den Menschenmassen einen Mann im grauen Anzug auszumachen, und sofort zieht sich mir vor Schreck die Brust zusammen, aber zum Glück ist es jedes Mal bloß eine Verwechslung. Ich bin einfach etwas überspannt und gereizt.
Am späten Nachmittag haben sich meine flatterigen Nerven wieder etwas beruhigt, und ich komme mir ein bisschen albern vor. Okay, was da gestern passiert ist, war wirklich ziemlich abgefahren und ärgerlich dazu, denn obwohl ich es in Vanish eingeweicht habe, kriege ich die Flecken sicher nie mehr aus dem Top raus, und mein Sushi konnte ich auch nicht genießen, weil dieser Stinkstiefel neben mir saß – aber nüchtern betrachtet war das reiner Zufall. Eine Verkettung unglücklicher Umstände. Pech eben.
Nennen Sie es, wie Sie wollen, aber es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass irgendwelche höheren Mächte im Spiel waren.
»Klingt vielleicht verrückt, aber eine Weile dachte ich, ich leide schon unter Verfolgungswahn«, keuche ich atemlos und
schaue rüber zu Robyn, die auf dem Gerät neben mir vor sich hin schnauft.
Es ist der Abend des folgenden Tages, und Robyn und ich haben uns entschlossen, die Gutscheine meiner Schwester für ihr supernobles Fitnessstudio auszunutzen, und strampeln uns also fleißig auf den Maschinen ab.Wobei ich »abstrampeln« im weitesten Wortsinn benutze. »Kurz vor dem Zusammenbruch stehen« wäre vermutlich eine etwas adäquatere Beschreibung.
Auch wenn meine Schwester mir
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