Trainspotting: Roman (German Edition)
noch einen Puls, und er atmet …
Fick sei Dank …
Ich geh wieder in die Kneipe zurück und will eigentlich nur schnellstmöglich von hier verschwinden, aber ein paar der Jungs laufen mir hinterher. Einer wählt den Notruf am Münztelefon und fordert Polizei und Krankenwagen an. Dickson kommt nach uns wieder rein und sieht immer noch so aus, als würde er sich gerade in die Hose scheißen. – Der Typ war voll besoffen, total hinüber. Ich hatte ihm gesagt, dass er gehen soll!
Ich schleiche zur Tür. – Hey, Simon! Du bleibst besser noch hier!, hält mich der große Moncur zurück.
– Auf jeden Fall!, stöhne ich und weiß, dass ich jetzt nur noch hoffen kann. Was für ne beschissene Situation: Bin voll drauf und hab n Gramm Skag einstecken! Dann kommen auch schon die Bullen und der Krankenwagen. Die Rettungssanitäter versuchen, Coke zu reanimieren, während die Cops die Kneipengäste befragen. Ein jüngerer Polizist, nach Aussehen und Ausdrucksweise zu urteilen ein echtes Landei, mustert mich eindringlich und fragt mich, ob ich „Rasen“ geraucht hätte.
– Nein, ich bin nur ziemlich blau. War den ganzen Tag unterwegs, antworte ich. Daraufhin geht er zu ein paar anderen Kneipengästen rüber. Dickson wird derweil von einem älteren Bullen befragt. Die Rettungssanitäter haben Coke eine Sauerstoffmaske angelegt und schieben ihn auf einer Bahre in den Krankenwagen. Ich merke, wie das Skag in mir arbeitet, in meinem System und auch in meiner Tasche. Besser also, ich verlasse den Ort dieses erbärmlichen Dramas. Ich laufe hoch zur Junction Street, wo ich in ein Taxi steige, das mich zum Krankenhaus bringt. Als ich in der Notaufnahme sitze, fühle ich mich unglaublich gut. Ich warte auf Coke. Irgendwie döse ich dann aber ein. Als ich wieder aufwache, sagt die Uhr an der Wand, dass vierzig Minuten vergangen sind. In meinem trockenen Mund hat sich ein klebriger Geschmack breitgemacht. Ich brauche eine halbe Ewigkeit, um herauszubekommen, wo man Coke hingebracht hat. Als ich endlich auf der richtigen Station ankomme, sehe ich Janey, Maria und Grant in einem abgeschiedenen Wartebereich. – Was ist passiert?, fragt Janey aufgeregt und stürmt auf mich zu.
Aus irgendeinem perversen Grund denke ich für eine Sekunde lang an das Abendessen, das Coke für sie mitbringen sollte. – Keine Ahnung. Ich war kurz auf Toilette, und als ich wieder rauskam, war Coke verschwunden. Die andern meinten, er wär mit Dickson hinten raus. Wir haben ihn bewusstlos aufm Boden gefunden. Dann haben wir die Bullen und einen Krankenwagen gerufen. Was sagen die Ärzte?
– Kopfverletzungen … sie machen gerade noch ein paar Tests. Aber er is noch nich aufgewacht, Simon. Er is noch nich wieder aufgewacht!
Dann spüre ich, wie sich Janeys reifer Körper gegen meinen drückt, sehe den verstörten Blick des kleinen Grant und die Tränen, die sich in Marias Augen sammeln und die ich ihr am liebsten aus dem Gesicht lecken würde, und ich sage zu ihnen: – Das wird schon … er wird wieder auf die Beine kommen … die Leute hier verstehen ihr Handwerk … der wird schon wieder.
Dabei weiß ich nur zu gut, dass Coke nicht wieder wird. Ich nehme Janey in die Arme und denke darüber nach, wie sehr sich ein Leben in der kurzen Zeit verändern kann, die es braucht, um sich einen Schuss zu setzen.
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Irvine Welsh
SKAGBOYS
ISBN 978-3-453-26887-6
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