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Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Trallafitti: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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hatten bereits zu Mittag gegessen
– immerhin war es erst kurz nach zwölf. Drei Paar verdutzte Augen sahen zu mir hinauf.
    »Darf ich
mich zu euch setzen?« Die Lehne des Gartenstuhls war nass. Ohne weiter zu fragen,
nahm ich eine Stoffserviette, wischte die Sitzfläche trocken und setzte mich, den
Lappen noch in der Hand haltend. Am Tisch saßen zwei Frauen und ein Mann, alle in
meiner Altersklasse. Jeder von ihnen trug einen Ehering. Daraus schloss ich, dass
es sich um zwei Mieterpärchen handeln musste. »Es geht um euren Nachbar, Arthur
Brülling.«
    »Wissen
wir schon«, sagte sofort die Rothaarige unmittelbar zu meiner Linken. Ihr lockiges
Haar war mit mikadoartigen Stäbchen zu einem Klumpen zusammengesteckt. In ihrem
Mundwinkel klebte ein Krümel vom Fladenbrot. »Herzanfall. Traurige Sache.«
    »Woher wisst
ihr das?«
    »Du bist
nicht die Erste, die hier auftaucht«, sagte die Dame neben ihr, deren schwarzes
Haar zu kurz war, als dass es mit irgendwelchen Spangen oder Mikadostäbchen zusammengehalten
werden konnte. Ihr schwarzer Lidstrich machte in der äußeren Lidfalte eine Kurve.
»Gestern war schon jemand da.«
    »Polizei«,
rief der Grillmeister herüber.
    »Quatsch«,
sagte die Dunkle. »Der war nicht von der Polizei.«
    »Natürlich
war der das!«, protestierte er.
    »Der hatte
doch gar keinen Polizeiausweis«, sagte sie. »Den hätte er uns sicher gezeigt.«
    »Conny-Schätzchen,
du hast von Tuten und Blasen keine Ahnung. Bullen zeigen ihren Ausweis nie. Es sei
denn, sie wollen jemanden verhaften oder kommen nicht weiter, weil die Leute nicht
das Maul aufmachen.« Mister Oberschlau lupfte den Ast aus der Kohle und fuchtelte
damit herum. Die Spitze glühte. »Aber das war bei euch Quasselstrippen ja nicht
zu befürchten.«
    »Und wennschon,
Piet!«, schimpfte Conny. »Er war sehr nett. Und weiß der Teufel, ob wir sonst jemals
erfahren hätten, was mit dem Arthur passiert ist. Nachbarn sagt man ja nix.«
    »Genau.
Nachbarn fragt man nur aus. Nach irgendwelchen Tussis, zum Beispiel.« Scheinbar
ziellos popelte Piet im Kohlehaufen herum. »Den Vogel habe ich ihm gezeigt. Wollte
wissen, ob er dann seinen Ausweis zeigt. Hat er aber nicht.«
    Die Rothaarige
verdrehte genervt die Augen. Es sah unheimlich anstrengend aus.
    »Um welche
Tussi geht es denn?«, fragte ich.
    »Nun fang
du nicht auch noch damit an!«, maulte er. »Wer bist du überhaupt?«
    Vier mal
vier Augen richteten sich auf mich, einschließlich jener des schweigsamen Typen
am hintersten Tischrand. Er hatte schütteres Haar und trug eine randlose Brille
mit kreisrunden Gläsern. Ich sah den Leuten reihum ins Gesicht. Sie erschienen mir
sehr nett, wenn auch ein wenig uneins. Deswegen versuchte ich es ausnahmsweise mal
mit der Wahrheit. »Ich bin Esther Roloff. Ich wohne in Bochum-Hamme. Euren Nachbarn
habe ich gestern erst kennengelernt, aber da war er leider nicht mehr am Leben.
Er starb vor meiner Wohnungstür.«
    »Ach Gottchen«,
sagte Conny. »Ich hoffe, du hast versucht, ihn wiederzubeleben.«
    »Der Notarzt
konnte nichts mehr für ihn tun.«
    »Ja, so
weit waren wir auch schon«, sagte die Rothaarige mit den Stäbchen und zog eine Zigarettenschachtel
aus ihrer Hose. Mit einem gekonnten Griff öffnete sie die Packung, nahm sich eine
Filterlose heraus und bot mir eine an. Ich lehnte dankend ab. »Und jetzt? Ist das
irgend so ein Seelending, das du hier abziehst? Hast du irgendwelche Nachrichten
aus dem Jenseits empfangen und machst dich nun auf die Suche nach dem unendlichen
Weiß?« Sie schob sich die Fluppe zwischen die Lippen und nahm das Feuerzeug aus
der Packung. Eine Mordsflamme loderte heraus und ein Drittel des Zigarettenpapiers
verglühte sofort. Das zweite Drittel ging während ihres ersten Zuges drauf. Ich
wartete darauf, dass ihr der Qualm aus den Ohren herauskam, aber es passierte nichts.
Sie wollte einfach nicht ausatmen.
    Conny reagierte.
»Die ganze Sache hat Bärbel ziemlich gestresst«, erklärte sie. Dann hob sie ihren
Arm, nahm etwas Schwung und versetzte Bärbel einen Hieb zwischen die Schulterblätter,
sodass der inhalierte Qualm aus ihrem Mund stob. »Ihre Großtante ist ein paar Tage
vor Arthur verstorben. Bauchspeicheldrüsenkrebs. Wie der Swayze.« Sie begann zu
flüstern, was aber nicht half, da Bärbel zwischen ihr und mir saß. »Seitdem hört
sie Stimmen und der Fernseher geht ständig aus, sagt sie.«
    Bärbels
Blick schien in andere Dimensionen zu reisen und ich tat so, als hätte ich nichts
gehört.

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