Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
sein. Außerdem war
mir ein solches Modell in dieser Gegend nie aufgefallen. Und dass es sich um einen
Volkswagen handelte, war das dritte sichere Indiz für mich, dass dies mein Leihwagen
sein musste.
Ich trat
näher heran. Das Fahrzeug war ein VW Scirocco der zweiten Generation. Seine breiten,
rechteckigen Rücklichter erinnerten beinahe an den gepimpten De Loren aus ›Zurück
in die Zukunft‹. Prollige Reifen, dicker Sportauspuff; vermutlich verchromt, aber
bis zur Oberkante verrußt, rundeten das gewollte, aber nicht gekonnte sportliche
Bild ab.
Ich drehte
den Schlüssel im Schloss der Fahrertür. Sie öffnete sich einsam; keine Zentralverriegelung.
Im Innenraum breiteten sich zwei Sportsitze aus, graues Leinen mit schwarzen Längsstreifen
aus Velours. Die Standardsicherheitsgurte waren mit roten Schroth-Gurtpolstern aufgehübscht
worden, das Armaturenbrett war in Holzoptik gehalten. Im aufgeklappten Aschenbecher
war ein kleiner Kaktus eingepflanzt. Er lebte noch. Was den Schluss zuließ, dass
die Abschiebung nicht lange her sein konnte oder Ragip ein Interesse daran hatte,
den Kaktus am Leben zu erhalten.
Ich ließ
mich in den Fahrersitz fallen und klammerte mich am Lenkrad in Holzoptik fest, weil
ich das Gefühl hatte, ich würde direkt durch den Unterboden auf die Straße knallen.
Ich saß tief, verdammt tief. Ich könnte quasi einen Trinkbecher neben der Ein- und
Ausstiegsleiste auf dem Asphalt abstellen und käme sehr gut an ihn heran. Doch die
Sicht nach vorn war in Ordnung, die Sitze gemütlich und die Beinfreiheit phänomenal.
Ich stellte den Motor an. Der Sound eines halbstarken Motors erklang, der kleine
Kaktus bebte. Ich nahm mir die Zeit, mich mit den VW-Gimmicks vertraut zu machen,
drehte sämtliche Spiegel zurecht und erkannte, dass die Motorhaube unendlich lang
und die Heckscheibe winzig war. Zwar war die hinterste Scheibe des Twingos auch
nicht größer, das Heck dafür jedoch wesentlich näher.
Die Kupplung
ging nur schwer und ich brauchte ein wenig, um den Rückwärtsgang zu finden. Dann
ließ ich die Karre auf die Straße rollen, wechselte in das Vorwärtskommando und
drückte auf die Tube.
6.
Mit dem Fuß auf dem Gas nahm ich
den Nordring in südöstliche Richtung, um mich querfeldein bis nach Altenbochum durchzuschlagen.
Keine fünf Minuten später bog ich in die Wittener Straße ein. Und als ich den Freigrafendamm
passierte, flog das mondäne Eingangstor des neoklassizistisch angehauchten Friedhofes
an mir vorbei.
Die Bürgersteige
im Kreuzkamp waren lückenlos zugeparkt – bis auf eine vier Meter lange Fläche, in
die ich mich allerdings nicht hineinzumanövrieren traute. Daher stellte ich den
Wagen einige Meter die Straße hinunter in einer privaten Garageneinfahrt mit Warnschild
ab. Ich legte den Gang ein, zog die Handbremse an und ließ das Lenkradschloss einrasten,
um einen Abschleppdienst so lange wie möglich mit dem Scirocco zu beschäftigen.
Dann ging ich zu jenem Haus, in welchem Arthur Brülling seinem Ausweis zufolge gewohnt
hatte. Es stellte sich als zweigeschossiges babyblaues Mehrparteienhaus heraus.
Ein Seitenweg lud dazu ein, die vorn nicht vorhandene Eingangstür zu suchen. Bereits
auf dem Weg dorthin drang lautes Geplapper an mein Ohr und der Duft röchelnder Holzkohle
manifestierte sich. An die Rückseite des Hauses angebunden war ein rechteckiger,
durch einen Jägerzaun begrenzter Garten. Ein paar Bäume waren über zig Jahre und
scheinbar per Zufall auf der Fläche herangewachsen, einige leere Blumenkübel stapelten
sich am Gartentor. Der Rasen war äußerst mähbedürftig. Ein blau-weiß gestreifter
Stoffpavillon mit windschiefer Zeltspitze war im vorderen Bereich aufgebaut. Drei
Leute, durcheinander plappernd und an Bierflaschen fingernd, hatten es sich unter
ihm bequem gemacht. Um sie herum triefte der Rasen noch vom letzten Schauer, daher
trugen sie festes Schuhwerk oder Gummistiefel. Der Holzkohleduft hatte seinen Ursprung
in einem rot geziegelten Grill der Marke Eigenbau, ein paar Schritte vom Pavillon
entfernt. Ein weiterer Typ, ohne Haare und mit Grillmeisterschürze, hatte sich breitbeinig
vor den röstenden Würsten und Fleischstücken aufgebaut. Mit einem Ast stach er in
die Kohle. Marinade tropfte in die Glut und ein paar Flammen züngelten. Ein Schirm
lag vorsorglich neben ihm auf dem Boden.
Ich stieß
das kleine Gartentor auf und ging auf die Sitzgruppe zu. Ein Fladenbrot war angeschnitten,
Teller mit Soßenresten besudelt. Die Herrschaften
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