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Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Trallafitti: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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ich mittlerweile zum 50. Mal und überlegte ernsthaft, ob die Tatsache,
dass er nicht öfter, wenn nicht sogar täglich, über diese Möglichkeit nachgedacht
hatte, richtungweisend für eine schlechte Bruder-Schwester-Beziehung war. Doch ich
verbannte diesen Gedanken.
    »Warum konntest
du nicht wenigstens einmal ein Lebenszeichen von dir geben?«
    »Hab ich
ja«, log ich. »Ich habe eine Karte geschrieben.«
    »Ach ja?
Ist nie angekommen.«
    »Schade
aber auch. War eine echt schöne.«
    Er seufzte.
    »Sag mal«,
fing ich langsam an. »Erinnerst du dich noch an diese Brandstiftung in Bochum-Gerthe?
Die Detektei Brülling & Rowohlt?«
    »Schwach.
Da hat sich die Bochumer Redaktion drauf gestürzt. Hier in Dortmund war es keinen
Fünfzeiler wert. Wieso?«
    »Ich habe
mir überlegt, ob dieser überlebende Typ, Guido Brülling, irgendwann irgendwo wieder
aufgetaucht ist.«
    »Keine Ahnung.
Vielleicht hat er sich ja nach Balatonfüred abgesetzt.«
    Gespielt
lachte ich auf.
    »Was willst
du denn mit dem?«
    »Nichts
weiter«, sagte ich. »War nur neugierig.«
    »Nimm es
mir nicht übel«, sagte Olaf plötzlich. »Aber hast du im Moment nicht dringendere
Brände zu löschen?«
    »Ich arbeite
dran«, knirschte ich.
    »Die DAK
in Lünen stellt wieder ein. Die neue Gesundheitsreform scheint bei denen wohl einiges
an Arbeit zu hinterlassen.«
    »Danke für
den Tipp. Ich werde mich dort erkundigen.«
    »Wirst du
nicht«, giftete er. Womit er natürlich recht hatte.
     
    Samstagmorgen zwischen eins und
vier regneten sich die Wolken leer. Zwar schlief ich von halb zwei bis drei, nahm
aber nicht an, dass das Wetter in dieser Zeit umgeschlagen hatte. Ein merkwürdiges
Surren, das, wie sich herausstellte, alle zwei Stunden für knapp 25 Minuten durch
den Flur krebste, weckte in mir die paranoide Vorstellung, jemand könnte sich, dem
Geräusch nach zu urteilen, mit einem Vibrator oder einer elektrischen Zahnbürste
bewaffnet in meiner Wohnung aufhalten. Doch die Angst löste sich auf, als ich mich
in die Küche zwang, um mich mit einem Buttermesser zu bewaffnen – und den Kühlschrank
als Störenfried entlarvte. Danach schlief ich bis zehn, das heißt, bis ich von der
Matratze geklingelt wurde. In T-Shirt und Pyjamahose öffnete ich die Tür.
    Ein Mann
mit dunklen, silbern durchzogenen Haaren kam die Treppe hinauf. Er trug eine weiße
Leinenhose, wie ich sie von Malern und Lackierern kannte, und einen grauen, grobmaschigen
Strickpulli. Schwarzbraune Schmierspuren umkreisten die Knie. Als er meine Etage
erreichte, roch es nach Lack und Motoröl.
    »Esther«,
sagte er.
    Ich erkannte
seine Stimme. »Ragip.«
    Zwei schwarze
Fellraupen sanken ihm tiefer ins Gesicht, als seine von Falten umrandeten Mandelaugen
begannen, mein Outfit zu durchleuchten. Sein bizarres Grinsen ordnete ich als belustigt
ein. Dann streckte er einen Arm aus. Intuitiv tat ich es ihm gleich. Doch anstatt
mir zur Begrüßung meine Hand zu schütteln, legte er einen Autoschlüssel hinein.
Er war rund, schwarz und flach, das VW-Logo war aus Metall ausgefräst und in der
Mitte eingelassen.
    »Was ist
das?«, fragte ich.
    Ragips Fellbrauen
hoben sich. »Den kannst du erst einmal fahren. Nimmt auf dem Hof sowieso nur Platz
weg.«
    »Warum?
Will ihn keiner kaufen?« Ein Indiz dafür, dass der Wagen eine rollende Katastrophe
oder unfassbar hässlich war.
    »Nein. Ist
ein Kundenwagen.« Als Ragip sah, wie sich meine Augen aufsperrten, winkte er ab.
»Die kommt so schnell nicht wieder.«
    »Tot?«
    »Abgeschoben.«
    Ich biss
mir auf die Unterlippe. »Okay.«
    Ragip grinste.
»Wir sind quitt, oder?«
    »Vorerst.«
    Er drehte
sich um und ging. Ich erwog, ihn nach dem Kennzeichen zu fragen. Doch mein Bauchgefühl
sagte mir, dass ich keine Probleme haben würde, den Wagen zu finden.
     
    Eine Viertelstunde später verließ
ich, so sauber wie nötig, die Wohnung. Der Himmel war wolkenverhangen, aber es regnete
nicht. Der Asphalt war mit Pfützen überzogen, der Geruch feuchter vermooster Steinfugen
vermischte sich mit den Düften vorbeirollender Abgase. Ich warf einen Blick zu meiner
Rechten auf den Parkstreifen, der aufgrund des Zusammentreffens von Samstag und
gutem Wetter lückenlos mit Autos befüllt war. Ein flacher, tannengrüner Wagen stand
mit einem Vorderreifen auf dem Bürgersteig. Die Vorderräder waren stark eingeschlagen,
das lang gezogene Fließheck ragte in die Hauptstraße hinein. Insgesamt erschien
mir der Wagen eilig in das Parklückendrittel gefahren worden zu

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