Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
meiner Abwesenheit auf mich gewartet hatte. Wenn
ich eine Reaktion von Ragip wünschte, sollte ich es besser einschalten. Also nahm
ich es in die Hand, drückte lange auf den Knopf mit dem roten Hörer und wartete.
Die Willkommensanimation dauerte ewig und eine, wenn nicht sogar zehn weitere Minuten
vergingen, ehe sich in meinem kleinen Kommunikationskoreaner etwas rührte. Ich drehte
ihn sogar zum Fenster, weil ich befürchtete, er würde nicht genügend Funksignale
abbekommen. Dann schließlich spuckte es die Meldung über vier entgangene Anrufe
sowie drei Textnachrichten aus.
Wie enttäuschend.
Ich scrollte
durch die Rufliste. Die Anrufer waren mein Bruder Olaf, meine Eltern, Metin und
eine dem Adressbuch unbekannte Nummer, deren Ziffernkombination nach Polizei Bochum
aussah. Die Textnachrichten kamen ebenfalls von Olaf und Metin, letztere war mit
üblen Phrasen und Schimpfwörtern gespickt. Die jüngste Nachricht stammte von Schalke.
›Du fehlst mir.‹
Ich löschte
sie alle.
Der Sekundenzeiger meiner Wanduhr
tickte emsig, doch meinem Empfinden nach nicht schnell genug. Mittlerweile war es
kurz vor fünf und Ragip hatte sich immer noch nicht gemeldet.
Und das
Letzte, das mir hier weiterhalf, waren leere Drohungen einem gewieften Türken gegenüber.
Ich wusste,
dass ich im Recht war. Aber weder hatte ich die Kohle, einen Sachverständigen oder
gar einen Anwalt anzuheuern noch hatte ich im Augenblick ausreichend Mumm in den
Knochen, Ragip die Polizei auf den Hals zu hetzen. Ich kannte den Türken kaum. Ich
wusste, dass er Dinger mit Autos drehte. Und ich nahm an, dass er Familie hatte.
Wenn er aus dem gleichen maroden Eisen geschmiedet war wie Metin, könnte die Polizei
weiß Gott was für Hehlerware auf seinem Kfz-Gelände finden. Wegen eines kaputten
Autos wollte ich niemanden in den Knast bringen. Doch würde ich meine Drohung nicht
wahr machen, würde er komplett den Respekt vor mir verlieren.
Herrje,
ich klang schon wie eine Mafiosa.
Endlich
klingelte das Handy.
»Esther«,
knurrte Ragip in den Hörer. »Was ist los mit dir? Warum willst du mich verklagen?«
»Du hast
mein Auto kaputt gemacht.«
»Es ist
nur ein Schloss«, sagte er anklagend. »Ist ganz schnell wieder drin und das Auto
ist wie neu.«
»Auch mit
einem Kolbenfresser?« Es war nicht wirklich eine Frage, aber ich hob trotzdem die
Stimme.
Er schwieg
sich aus.
»Der Wagen
ist Schrott«, fügte ich hinzu.
»Wer sagt
das mit dem Kolbenfresser?«, fragte er zurück.
»Metin.«
Ich hörte ihn Türkisch sprechen. Meinem Sprachgefühl nach zu urteilen war es nichts
Nettes.
»Ist halb
so wild«, sagte er dann mit geschmeidiger Zunge. »Muss nur ein neuer Motor rein.
Schon ist alles ok.«
»In Ordnung.
Hast du einen Motor?«
»Für einen
Twingo?« Er lachte. »Nein.«
»Kannst
du mir einen Motor besorgen?«
»Klar kann
ich.«
Ich atmete
auf. »Gut. Und wie lange wird das dauern?«
Er schien
zu überlegen. »Für einen Twingo?«, sagte er erneut. »So etwa vier bis sechs Monate.«
»Was?« Ich
schrie aus der Entfernung.
»Was ist
los mit dir? Du willst die Reparatur doch umsonst, oder? Und Motoren von Twingos
liegen nicht auf Autobahnen herum!«
Ich stimmte
ihm zu und dachte an die Anmerkung von Kfz Puchalski in Bezug auf die Unmöglichkeit,
dass Renaults Pannen auf der Autobahn hatten. Danach überlegte ich, was genau an
der Beschaffungsmaßnahme vier bis sechs Monate dauern konnte. »Kannst du ihn nicht
einfach reparieren?«
»Das ist
die Reparatur. Kaputtes Teil raus, heiles Teil rein. Der Motor ist kaputt.«
»Verstehe.
Aber ich brauche den Wagen.« Ich verlieh meiner Stimme einen schärferen Klang. »Und
du hilfst mir, das Problem zu lösen, sonst werden es andere tun. Und das wäre nicht
gut für dich.«
»Du drohst
mir«, stellte er fest.
»Ich erkläre
dir nur die Rechtslage«, antwortete ich. »Und die sieht vor, dass du mit Sachen
anderer Menschen keine Scheiße bauen darfst, ohne vorher zu fragen.«
»Du drohst
mir«, wiederholte er.
»Exakt«,
sagte ich.
»Und du
hast ein Problem mit mir, weil du keinen Wagen hast?«
»Ja, so
kann man es ausdrücken.«
»Okay. Das
kriegen wir geregelt«, sagte er und legte auf.
Es dauerte keine zwei Minuten und
ich war wieder am Hörer. Diesmal, um mich bei meinem Bruder für meinen spontanen
Abgang zu entschuldigen. Unentwegt.
»Manchmal
dachte ich, du wärst tot«, sagte er. »Nicht immer, aber manchmal. So, ein- bis zweimal
in der Woche.«
»Tut mir
leid«, sagte
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